Bernhard Horwatitschs
GEDANKENAKROBATIK
Beiträge aus dem Jahr 2025
2. Beitrag vom 30. Januar 2025
Staffel 29
1*
Der mittelalterliche Mensch lebte in einer nicht segmentierten, analogen Welt. Sein sinnlicher Horizont bildete eine Einheit. Auge, Ohr und Hand wurden noch nicht als getrennte Entitäten erlebt.
So erlebte dieser frühe Mensch vor 1000 Jahren echte Dauer in unterschiedlicher Form. Der moderne Mensch lebt dagegen in einer linearen, digitalen Welt. Die Sinne sind ihm segmentiert und das
Auge wurde zum Prädator. Der moderne Mensch erlebt eine rasende Schattenwelt. Nichts steht mehr still, alles wurde flüchtig, zerstäubt in tausend Scherben. So ist der moderne Mensch mit all
seiner Elektrizität weit mehr ein platonischer Höhlenbewohner, als der von Aktion und Tempo noch verschonte Mensch vor der Renaissance.
2*
Warum sind Bücher nicht rund oder dreieckig oder sechseckig. Sie könnten auch wie Sterne aussehen. Man könnte sie wie Tassen formen und dann müsste man von oben nach unten lesen.
3*
In seinem Buch „Die Gutenberg-Galaxis“ schreibt Marshall McLuhan: „Der Haken liegt für den nicht-alphabetischen Menschen nicht darin, daß er
unlogisch wäre, sondern daß er die Logik zu häufig anwendet, oftmals auf Grund ungenügender Prämissen. Er nimmt im Allgemeinen an, daß Ereignisse, die in einer gewissen Verbindung stehen, in
einem Kausalzusammenhang stehen. Aber das ist ein Trugschluss, dem auch die meisten zivilisierten Menschen sehr oft zum Opfer fallen, und, wie man weiß, erliegen ihm selbst geschulte
Wissenschaftler! Nicht-alphabetische Menschen neigen allzu stark dazu, in der bloßen Assoziation auch schon eine Kausalbeziehung zu sehen; und gemäß der Regel gilt das als wahr, was
funktioniert.“
4*
Heute beim Spaziergang wäre ich beinahe von einem alten, dicken Mann auf einem Fahrrad überfahren worden. Ich konnte ihn nicht sehen, er fuhr so über die Straße, dass er auf dem Gehweg hinter mir
war und ganz knapp an mir vorbei fuhr. Während ich den in seinen atmungsaktiven und farbenfrohen Fahrradkleidern noch fetter und lächerlich alt wirkenden Mann beobachtete, dachte ich, dass er
hätte klingeln können. Ich habe hinten schließlich keine Augen und ich überlegte mir, was ich so alles hätte noch sagen können, wie zum Beispiel „du fette Sau und blöde“ oder Ähnliches. Also so
dachte ich vor mich hin, als es plötzlich klingelte, und ich schritt zur Seite und ein männlicher Radfahrer mit Bürstenhaarschnitt fuhr an mir vorbei und sagte auch „danke“ zu mir. „Bitte“, sagte
ich kleinlaut und dachte, das ist wohl Gottes Ironie. Der Zusammenhang mit meinem Denken ist zweifelsfrei sakraler Natur und mein Schluss ist daher durchaus logisch.
5*
Viele Menschen können einem Denkprozess nicht folgen, weil ihr eigener Standpunkt sie dominiert.
6*
Die ersten Kaufleute waren wohl Landstreicher, die man als „hôtes“ bezeichnete, als Gäste. Sie drangen in das mittelalterliche, durch das Zunftleben geregelte und damit konkurrenzlose Stadtleben
ein und brachten dieses Zunftleben, die Preise, den Warenfluss durcheinander. Daher mochte man sie nicht. Es waren immer wieder auch Juden unter diesen frühen Kaufleuten.
7*
suchen wir nach Maßstäben, die wir als Realität begreifen können, gibt es wohl drei Gruppen zu untersuchen. Einmal gibt es universale Annahmen, die allen Wissensgebieten übergeordnet erscheinen,
wie den Satz der Identität, der Widerspruchsfreiheit, elementare Annahmen über Raum und Zeit, seiner Dreidimensionalität, dass Zeit nicht umkehrbar ist, kausale Zusammenhänge, keine Wirkung ohne
eine Ursache, aus nichts kann auch nichts werden. Kurz wir könnten das die formalen Basispostulate nennen. Fantastisch wären dagegen die Doppelgängerphänomene der Literatur, von höheren
Dimensionen zu erzählen, oder von Ereignissen, die keine Ursache kennen, von Dingen zu erzählen, die plötzlich da sind oder plötzlich verschwinden.
8*
Alles, was ontologisch in unseren diversen Teilrealitäten existiert, direkt oder indirekt sinnlich wahrnehmbar ist, an Materie gebunden, empirisch
als real gilt, wäre eine weitere Gruppe von Basiswissen. Gespenster, Außerirdische, lebendige Roboter, wären hier die fantastische Welt.
9*
Und als dritte Gruppe wären die nicht formalen Universalien zusammenzufassen, die Gesetze der Natur, Schwerkraft, biologisch-chemische
Entitäten. In der Luft schwebende Wesen, Wasser das sich plötzlich in Stein verwandelt, Feuer, das keinerlei Verbrennung verursacht oder sogar kalt ist.
10*
Ach Gott. Heute in einem Vortrag das Bild von Julio Cortazar gesehen, mit seiner Kippe im Mund. Das hat so Lust gemacht.
11*
Wir haben den Helden und blicken auf diesen Helden. Hält sich der Held an die Naturgesetze, sind wir im mimetischen Bereich, hält er sich nicht an die Naturgesetze, sind wir im Mythos oder im
Märchen.
12*
ein irischer Geschäftsmann, eine russische Spionin und ein weißbärtiger Yankee-Colonel gründeten vor 150 Jahren eine spirituelle Gesellschaft, die
auf Dogmen und Glaubensbekenntnisse verzichtet, deren Hauptinteresse es ist, die Bruderschaft aller Lebewesen in einem unendlichen Universum zu feiern und die Geheimnisse dieses Universums zu
erforschen. Viele bedeutende Künstler wurden bald Mitglied dieser Gesellschaft, die Kirche verteufelte sie natürlich und die Nazis verboten sie.
13*
Liest man das Porträt, das der österreichische Kunstkritiker Ludwig Hevesi von Blavatsky abgab (dieser schrieb es auf der Grundlage von Schilderungen Friedrich Ecksteins), dann wird einem klar,
dass die Darstellung der herrschsüchtigen Sängerin Brunelda in Kafkas Amerika-Roman ganz offensichtlich eine Satire auf das berühmte russische Medium des 19. ten-Jahrhunderts ist.
14*
Es ist die Macht des Staates, die ich dabei fühle. Seine eiserne Faust drückt mich zu Boden. Mein Widerwille gegen diese Steuererklärung ist mein Widerwille gegen diesen Staat.
15*
Platon zählte zu den Vornehmsten unter den Griechen. Sein Vater Ariston war mit Periktione verheiratet. In beiden Familien waren schon die Vorfahren eponyme Archonten, also Hüter der Familie,
Vorsitzende des Gerichts, Leiter der Dionysien. Platon stammt damit aus einer politik-erfahrenen Familie. Seine Idee, endlich einmal kluge und weise Herrscher einzusetzen, als die üblichen
Idioten wie sonst, dürfte also auf Erfahrungswerten basieren. Doch bis heute wurde seine Idee nur sehr, sehr selten umgesetzt. In unserer Demokratie entscheidet die Mehrheit, wer regiert. Und
leider ist die Mehrheit der Menschen weder klug noch weise.
16*
In dem Talmud-Traktat „Pirqe Avot“ (Sprüche der Väter) wird die Ethik abgehandelt. Im zehnten Abschnitt des fünften Kapitels heißt es: Sieben Dinge
kennzeichnen den Ungebildeten und sieben den Weisen: Der Weise spricht nicht vor dem, der ihn an Weisheit übertrifft; er fällt einem andern nicht in die Rede; er antwortet nicht voreilig; er
fragt bestimmt und antwortet entsprechend; er spricht über das Erste zuerst und über das Letzte zuletzt. Von dem, was er nicht versteht, sagt er: „Ich verstehe es nicht“: er bekennt die
Wahrheit.
17*
Das Wort „Golem“ ist im modernen Iwrit eine Bezeichnung für alles Unfertige, auch Ungebildete. Das nicht Gebildete, Formlose ist damit gemeint. Die Sage von Golem mit dem geheimen Zettel mit
einer magischen Zahl belebte den Golem und unterstellte ihn dem Willen seines Meisters. Im Prinzip ist das nichts weiter als eine Metapher für das, was Aristoteles als „techne“ bezeichnete. Die
Kunst im Gegensatz zur Natur. Die Natur entsteht aus sich selbst heraus und alles andere, das, was gemacht wird von jemandem oder von etwas, ist Technik.
18*
Das älteste kabbalistische Buch, Sefer Jetzira, stammt aus der Feder von Abraham, also wurde es vor etwa 4000 Jahren geschrieben. Es dokumentiert
sozusagen die Entstehungsgeschichte der Schrift, der 22 hebräischen Buchstaben und löste das Hellsehen der alten Menschen durch gedankliche Begriffe ab. Als noch keine phonetische Schrift
vorhanden war, waren Gegenstand und Zeichen noch magisch vereint. Da sie allein in einer dialektischen Verbindung standen. Der Begriff wurde dann durch die phonetische Schrift erschaffen und
löste die Zeichen vom Gegenstand. Auch die Sephiroth, die zehn magischen Zahlen werden dort von den Gegenständen segregiert. Dadurch ermöglichte man überhaupt erst die Technik.
19*
Baruch de Spinoza sagte einmal, dass ein Pfeil, der sich mitten im Flug seiner selbst bewusst werden würde, glaubte, er flöge aus freien Stücken.
20*
Der im elften Jahrhundert lebende und forschende, jüdisch-spanische Mystiker Soloman ibn Gabirol erschuf einst einen weiblichen Golem, eine
Frau die ihm als Dienstmagd behilflich war. Er wurde daraufhin von dem herrschenden Berber Zawi Ibn Ziri der Zauberei angeklagt. Bei der Gerichtsverhandlung zerlegte Solomon ibn Gabirol die
künstliche Frau wieder in ihre hölzernen Einzelteile und bewies dem Gericht damit, dass es sich lediglich um einen Automaten gehandelt hätte und keine Fleisch gewordene unrechtmäßige
Beseelung.
21*
Das ist ein Fakt, der mich zunehmend isoliert. Die Dummheit. Schlimm dabei ist immer wieder die Tatsache,
dass dumme Menschen ihre eigene Dummheit nicht wahrnehmen können. Sie können es nicht. Sie machen das ja nicht absichtlich. Dumm will keiner sein und für dumm gehalten werden will auch keiner.
Aber für den Wissenden (wenn das überhaupt möglich ist, das binär zu gestalten), ist es unerträglich, nicht verstanden zu werden, wenn er auf das Verstandenwerden angewiesen ist.
22*
Aber im Grunde will ich nur noch philosophische Betrachtungen lesen und mich mit sonderbaren Seins-Phänomenen beschäftigen. Ich will von dieser Welt nichts mehr wissen. Sie dient mir bestenfalls
noch als Gleichnis – um Goethe zu zitieren. Diese Welt mit ihren ganzen Ärgernissen, ihren Kleinigkeiten, die man zu Riesen aufpumpt, diese Welt mit ihrer immerzu dem Kindischen Recht gebenden
Haltung, diese auf Attitüden, auf Täuschungen, auf Lautes und Buntes, auf das Offensichtliche gerichteten Aufmerksamkeit. Ich bin ihr einerseits überdrüssig, andererseits hörig. Überdrüssig bin
ich der Realität, denn die ist betrüblich. Hörig bin ich der Vorstellung von ihr, denn die Phantasie ist immer hochwertiger und feinsinniger. Realität ist dumm und unkontrollierbar. Phantasie ist
geil und von meiner eigenen Vorstellungskraft steuerbar.
23*
Ich gehe unter in einer Massengesellschaft quasselnder Idioten, die sich für wichtig halten. Ich bin so gleich wie die meisten. Was mich zerreißt, was mich zerstört, ist die Option meines
Untergangs. Und ich habe – verdammt noch mal – mehr verdient.
24*
Immerhin kann ich von meinem Kopf leben. Und ich habe ein paar Eindrücke gemacht, auf dieser so merkwürdigen Erde.
25*
Inspiration kostet Leistung und Leistung kostet Inspiration. Das ist ein Fehler in der Schöpfung.
26*
Die kataleptische Phantasie, das heißt die festhaltende, feststellende Vorstellung ist eine Eigenleistung des mit Vernunft begabten Menschen. Wer alle Wahrnehmungen gelten lässt, hat nur eine
Meinung (doxa). Die Arithea, die Wahrheit, ist eine Differenz, die durch die Vernunft entsteht.
27*
Das Fatum machte den Christen im Barock viel Kopfzerbrechen und Justus Lipsius musste dazu ein wenig in die Trickkiste greifen, indem er Gottes Handeln als frei darstellte. So partizipieren wir
Menschen an der Freiheit Gottes, auch wenn wir selbst nicht frei sind.
28*
Chrysippos von Soloi (Soldi ist eine türkische Hafenstadt) folgt auf Kleanthes. Chrysipp ist ein Logiker und seine Tropen waren wegweisend für den modernen Pragmatismus.
29*
Die Semiotik ist die Beziehung der Zeichen zu den Zeichen. Die Semantik ist die Beziehung der Zeichen zu den Dingen und wurde lange nicht ernst genommen. Der Pragmatismus ist die Beziehung der
Zeichen zu den Bezeichnenden (modern: Signifikat zu Signifikant) und die Stoa hat diese Beziehung überhaupt erst wahrgenommen – in der Frühzeit des phonetischen Alphabets.
30*
Wenn es Tag ist, ist es hell. Dieser Konditional (wenn-dann) ist zwar
einfach, aber universal. Darauf folgt die Affirmation hell gleich Tag und die Negation nicht hell – kein Tag. So kann es niemals zugleich hell sein und Nacht, das wäre die Disjunktion, denn Tag
und hell hängen als Konjunktion zusammen. Daher schließen sich Tag und dunkel gegenseitig aus, bzw. hell und Tag schließen einander ein, das wäre die Alternation.
ENDE
1. Beitrag vom 15. Januar 2025
Zwischen Politik und Ökonomie
Teil I
1*
Der Staat
ist nicht die Ursache, sondern nur das Instrument der Herrschaft.
2*
Das
politische Gemeinwesen könnte so schön sein, wenn man jeden das tun ließe, was seiner Natur entspricht und er oder sie sich voll einbringen könnte. Aber die herrschende Ökonomie verlangt und
erpresst in uns den Ackergaul. Dieser Kapitalismus macht damit alles hässlich. Überstreut dies Hässliche mit einem Zuckerguss. Hat man erst den Zuckerguss abgeschleckt, kommt der widerwärtige
Geschmack dieser Ökonomie zum Vorschein.
3*
Der hybride Polypragmatismus der Legislative schwächt den Mut der Exekutive. Oder einfach formuliert: Je mehr Gesetze gemacht werden, desto verwirrter wird der Polizist bei der Arbeit. Polizisten
sind ja keine komplizierten Schachtelwesen. Die geteilte Gewalt aber, die wurde hier kastriert. Und auf der anderen Seite sitzen im Bundestag fast nur noch Juristen, so dass die Legislative zur
Lobby-Veranstaltung der Judikativen wurde.
4*
In dieser unsäglichen und unsäglich schwachsinnigen Diskussion um Integration, sagen besonders wehrhafte und kritische Leute gerne, dass die Einwanderer (die
Ausländer, Zuwanderer, Wahl-Deutschen, die Fremden halt) oft nach Jahren noch nicht „angekommen“ sind. Hallo? Das ist überhaupt nicht deren Interesse. Wir alle sind Einwanderer und wir kommen
nicht an, sondern gehen bald eh wieder. Inzwischen verändern wir den Ort, an dem wir sind. So werden Sie wohl kaum die Einrichtung übernehmen, die Ihr Vorgänger in der Wohnung hatte. Sie bringen
Ihre eigenen Möbel mit oder kaufen sich Neue. Und so ist der Mensch nun mal. Er verändert die Welt in der er sich befindet. Manche tun das nur ein kleines bisschen, andere hauen voll drauf.
Integration ist also das komplett falsche Wort. Es geht eher darum, ob wir die Wohnung gemeinsam einrichten wollen, oder nicht. Wenn nicht, dann ist das eben ein Wettkampf um Blut und
Boden.
5*
Zuweilen
schlägt der menschliche Herdentrieb in Kannibalismus um. Denn nichts erträgt die Herde weniger, als ein Schaf, das eigene Wege geht, sich von der Herde entfernt, die Herde meidet. Dann versucht
die Herde das verlorene Schaf mit aller Gewalt wieder in die Herde zurückzudrängen. Gelingt dies nicht, wird das verlorene Schaf von den eigenen Artgenossen gefressen. Auf diese Weise wurde es
der Herde wieder einverleibt. Es ist oft diese widerwärtige Neigung, die mich die Menge fliehen lässt. Und genau diese Reaktion verursacht dann die zu fliehende Neigung der Menge. So fühlt sich
der Eremit zuweilen als Gejagter. Und um nicht gefressen zu werden, ist der Eremit gezwungen, Gift auszusondern. Je hässlicher, je giftiger er wirkt, desto größer ist sein Schutz vor den
Kannibalen. So sind die, die das Hässliche fliehen nicht selten selbst sehr hässlich.
6*
„Es gibt immer einen verdammten Aufsichtsrat“ (Mrs. S. in Orphan Black).
7*
Der
Unternehmer ist jemand, der etwas unternimmt. Der Arbeiter ist jemand, der etwas arbeitet. Wenn der Arbeiter etwas unternimmt, muss der Unternehmer arbeiten. – Eintrag in einem
Schulbuch.
8*
Es ist
nachvollziehbar, warum manche sich einen König zurückwünschen. Ein König repräsentiert absolute Unbestechlichkeit, denn da ihm alles gehört, kann man ihm nichts geben. Damit ist der König
außerhalb. Er macht keine Geschäfte, mit ihm macht man keine Geschäfte. Das vermittelt Kontinuität. Mit dem König ist man niemals quitt. Man kann ihn auch nicht einfach abwählen, wenn man seiner
überdrüssig ist. Demokratische Politiker nimmt man irgendwann nicht mehr ernst, weil man sie ja loswerden kann, wenn man sie loswerden will. Die Gemeinschaft muss sich nur darüber einig sein.
Deshalb wird ein demokratischer Politiker immer auf ein Geschäft eingehen. Mit demokratischen Politikern wird gefeilscht. Ein Wahlergebnis ist eine Art Geschäftsabschluss. Man hat eine Regierung
gekauft. Von der verlangt man nun, dass sie funktioniert. Funktioniert sie nicht, wird man versuchen, sie zu tauschen. Der moderne demokratische Staat kann daher niemals den Kapitalismus
kontrollieren, denn er funktioniert nach den technischen Operationen des Kapitalismus. Der Ochse, der den Karren zieht, kontrolliert den Karren nicht. Daher bilden sich in jedem
demokratischen Staat Wirtschaftskapitäne, die sich durch ihren Reichtum qualifizieren und aus dem allgemeinen Tauschhandel herausnehmen. Könige des Geldes.
9*
Man wird entweder vom System definiert, oder von der Art, wie man sich gegen das System wehrt.
10*
Er wollte kein Geld, diesen Satz schrieb Joseph Roth vor 100
Jahren über einen alten Militärarzt, der einen todkranken Russen untersucht hatte. Eine besondere, fast beiläufige Tugend. Roth verschweigt uns die Gründe dafür, warum der Militärarzt kein Geld
annehmen will. Weil er den Russen nicht heilen kann, nur seinen baldigen Tod prognostiziert? Es ist die einzige und auch die beste Erklärung. Eine Tugend, nebenbei mit der Hand weggewischt. Heute
unvorstellbar. Jeder Arzt muss abrechnen. Es klingt wie Rache nehmen, offene Rechnungen begleichen.
11*
Es ist die
gleiche Inkongruenz der politischen Maschine, die einerseits Klimakonferenzen abhält und andererseits die Erdöllobby protegiert. Es ist die gleiche politische Maschine, die Steuersünder belohnt,
wenn sie es geschickt anstellen und die ehrlichen Steuerzahler bestraft. Es ist die gleiche politische Maschine, die staatliche Wohnungsbestände verhökerte und mit einer insuffizienten Mietbremse
ein moralisches Alibi installierte.
12*
Es ist
egal, auf welcher Seite man steht, wenn man kein Aktionär ist.
13*
Fakt ist, dass die Medienlandschaft für nahezu jede Meinung ein Format bietet. Nur haben wir eine Wirtschaftsordnung
vorliegen, die selbstreferenziell ist und Meinungen als Waren verkauft. Das Problem ist also nicht eine moralische Frage, sondern eine ökonomische Frage. Was sich als Meinung gut verkaufen lässt,
ist nicht notwendigerweise auch wahr und gut. Sie lässt sich nur „gut“ verkaufen.
14*
Die Erde gehört niemand, ihre Früchte gehören allen, sagte vor 650
Jahren der englische Priester John Ball. Er trat ein für soziale Gleichheit aller Menschen und forderte die Aufhebung der Standesgrenzen. Sein berühmtester Ausspruch lautete: „Als Adam grub und
Eva spann, wo war da der Edelmann?“ John Ball wurde im Beisein des Königs erhängt, ausgeweidet und gevierteilt.
15*
Sie hält
ihren Kontostand ernsthaft für eine Form der Emanzipation.
16*
Auch wenn
man eine Gruppe von Menschen – genannt Volk – zu einem abstrakten Souverän macht, gewährleistet dies nicht, dass sie sich an das Gesetz halten. Vielmehr machen sie Gesetze nach Interessenslage.
Die so hoch gelobte Demokratie ist im Grunde eine Kuriosität. Der ihm unterstellte Allgemeinwille ist lediglich die Allgemeinheit der selbstsüchtigen Interessen.
17*
Wir müssen
dringend die Reichen durch Steuern erleichtern, bevor sie unter ihrem Reichtum zusammenbrechen.
18*
Viele
verwechseln Freiheit mit Freizeit.
19*
Was sind
Leistungsträger eigentlich für Leute? Es sind Leute, die Leistung die andere erbracht haben auf ihr Konto auf den Kaiman-Inseln tragen. Leistungsträger sind damit Leistungs-Wegträger,
Strauchdiebe, Halunken.
20*
Sie
vergöttern die Autorität und hassen sie zugleich, wenn sie sich entzaubert. Der Kleingeist will an jemand glauben. Er ist ein verstörendes Nebenprodukt der Aufklärung. Ohne Gott gibt es keine
Gläubigen mehr, nur noch Fans.
21*
Es ist
nicht die Demokratie mit der etwas nicht stimmt, sondern etwas stimmt nicht mit den Eigentumsverhältnissen.
22*
Der Mensch
von heute besitzt ca. 10.000 Dinge von denen vielleicht 100 wirklich nützlich sind. 9.900 Dinge sind reinster und nutzlosester, ja sogar schädlichster Plunder auf den die meisten Menschen dennoch
nicht verzichten können. Die meisten Konflikte zwischen den Menschen scharen sich um diesen nutzlosen Plunder von 9.900 Dingen. Doch wollen wir wirklich in der Steinzeit leben und mit diesen 100
wirklich nützlichen Dingen dahinvegetieren? Insofern ist Konsumverzicht die falsche Antwort auf die Umweltfrage.
23*
Politik
ist für mich inzwischen eher eine Beschäftigung als würde man mit Kot spielen.
24*
Die
Börsianer werden wie eine außerirdische Population geschildert. Dabei spekuliert doch schon jeder zweite Bankkontenbesitzer mit Aktien und bereichert sich an der Ausbeutung anderer Länder. Das
nennt man kognitive Dissonanz.
25*
Warum
nicht eine Mietidee? Man zahlt nur, wenn man tatsächlich in der Wohnung ist. Mich kostet meine Wohnung pro Stunde ziemlich genau einen Euro. Wenn ich eine Stunde spazieren gehe, könnte ich einen
Euro Miete sparen.
26*
Etwa ein
Drittel der Bevölkerung hat sich inzwischen aus dem allgemeinen bürgerlichen Wertekanon verabschiedet. Sie bauen sich ihre eigene private Matrix in der sie Gott und Schaf zugleich sind. Das
ist nicht weiter überraschend, da die Angst immer größer wird bzw. die Kosten für die Verdrängung dieser Angst vor den realen Bedrohungen den psychischen Druck immer mehr erhöhen. Schlicht
gesagt: Die Herde zerstreut sich in Panik. Die Klimakatastrophe erreicht nun auch die reichen Westnationen, Pandemien reduzieren unseren hedonistischen Gewinn, unser Lebensstandard sinkt, am
Arbeitsplatz verrohen die Sitten, die Wissenschaften widersprechen sich, und ohne Religion sind wir metaphysisch obdachlose, traurige Kinder ohne Perspektiven.
27*
Der Kapitalismus ist ein extrem verschwenderisches System, das nicht nur mit der so genannten Umwelt verschwenderisch umgeht,
sondern auch menschliche Ressourcen vergeudet. So wie man alte Bäume bedenkenlos niederfällt, um einem modischen Hochhaus Platz zu schaffen in dem dann auf dem Fließband produzierte Studenten
wohnen, genauso beiläufig stellt man ältere Menschen auf Nebengleise. Die wahren Fähigkeiten die Menschen haben, werden zugunsten einer Massenfabrikation untergeordnet und verkümmern zu Launen
oder bestenfalls zu Hobbys. Eine hochproduktive Freizeitkultur wird verbrannt wie altes Geld.
28*
Im
Vergleich zu feudalen Imperien haben Demokratien doch eine recht kurze Laufzeit.
29*
Krieg in der Ukraine ist ein Krieg der industriellen Demokratien. So gewaltig ist der Unterschied zwischen Russland und Europa auch nicht, wie man an den Wahlen sieht: Ungarn, Polen, Italien,
Frankreich, England und auch Deutschland haben alle ihre kleinen Putins im Land.
30*
Einen Kanzler zu wählen, der nicht von Gottes Gnaden König wird, sondern durch das Wahlvolk zertifiziert wurde, so einen Kanzler zu wählen basiert auf dem Kreditwesen. Die letzten 75 Jahre
Demokratie sind nur auf Pump. Und ich fürchte, bald müssen wir das alle zurückzahlen.
31*
Obwohl nur noch 12 Prozent der Deutschen an den Kapitalismus
glauben, sind sie derart materialistisch versaut, dass es sogar den Säuen vor dem Menschen graust.
ENDE
Bei all den erfolgreichen Buchautoren, Filmemachern, Musikern, Künstlern und Unternehmern, sind viele junge Menschen geneigt, ihnen nachzueifern. Sie versuchen, es ihnen gleichzutun und beginnen, das Erschaffene dritter zu kopieren. Das ist der erste Fehlschritt eines Newcomers. Er lässt außer Acht, dass gerade die Erfolgreichen, mit eigener Kreativität zu Werke gingen und deswegen erfolgreich wurden. Deshalb unser Aufruf: Gehe Deinen eigenen Weg, verwirkliche Deine Ideen und erschaffe Deine eigenen Werke.
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