DIE EIGENEN TRÄUME WAHRMACHEN

Erster Jugendwettbewerb für 14 bis 18-Jährige

 

 

Schreibwettbewerb von pierremontagnard.com

 

 

DIE EIGENEN TRÄUME WAHRMACHEN

 

 

Geldpreise:   1. Rang 200 Euro, 2. Rang 100 Euro,  3. Rang 80 Euro,

         

4. Rang 70 Euro,  5. Rang 50 Euro

 

von privater Sponsorin 

 

 

 Das Siegerpodium

 

 

 

 Schluss-Rangliste vom 31. Mai 24:00 Uhr

 

 Rang:       TEILN.                               Punkte 

                 Nr.                                     Total

  

                    01.              035                                     1111*                   

 01.              083                                     1111*

03.              033                                     1107

                  04.              061                                     1053                  

 05.              037                                     1017 

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* Die beiden Erstplatzierten teilen sich das Preisgeld

vom ersten und zweiten Rang.

Glückwunsch und herzlichen Dank allen fürs Mitmachen!

1. Rang mit 1111 Punkte

 

   Melina Albandopulos

 

Melina hat alle überzeugt mit dem Wahrmachen ihrer Träume. Ihre Protagonistin Annie, die davon träumte, ihren Lebensunterhalt von der Kunst bestreiten zu können, wird vorerst nur verunsichert und desillusioniert.

 

Eine Reise mit ihren Eltern nach Paris, ins Mekka der Künstler, und die Begegnung mit Mathieu, den sie an der Seine kennenlernt, ihm beim Malen zuschaut und der ihr unbe-wusst neuen Mut einflößt, bestärkt sie indessen darin, nach der Heimkehr ihren Traum zu verwirklichen.

 

Herzlichen Glückwunsch, Melina, für diese gelungene Arbeit!

Wettbewerbsnummer 035

 

 

Ein Traum von Kunst und Kreativität

(Urheberrechte & Copyrights © by Melina Albandopulos)

 

Während die meisten meiner Freunde neue Sportarten ausprobierten, konnte ich mich nicht im geringsten für diese Art der Freizeitbeschäftigung begeistern. Ich liebte es aber zu malen und zu zeichnen. Kunst faszinierte mich und machte mir unheimlich Spaß. Meine Hefte waren vollgekritzelt mit Skizzen und Zeichnungen jeglicher Art, die ich fertigte, wenn mich der Unterricht mal wieder langweilte und hatte ich gerade kein Papier zur Hand, dann gestaltete ich die Tischplatte vor mir, was die Lehrer nicht immer guthießen und mir das eine oder andere Mal ziemlichen Ärger einbrachte.

 

Je älter ich wurde, desto mehr wurde von mir verlangt, zu wissen, was ich später einmal werden wollte. Es überforderte mich, denn ich hatte mit der Schule genug um die Ohren. Um mich abends von dem stressigen Alltag zu erholen, malte ich oft, und so wurde mir auch immer mehr bewusst, dass mein Hobby einmal mein Beruf werden sollte. Bald schon war es mein größter Traum, später einmal Künstlerin zu werden.

 

Kurz vor den Osterferien fragte man uns wieder einmal, was wir uns denn vorstellen, nach der Schule zu machen.

   »Ich würde gerne Künstlerin werden und von meiner Kunst leben«, sagte ich voller Stolz und konnte mir ein Grinsen nicht verkneifen. Mein Berufswunsch erschien mir als etwas Besonderes im Gegensatz zu denen meiner Mitschüler, von denen die meisten, Medizin, Jura oder Mathematik studieren wollten. Die Begeisterung der anderen, die ich mir vorgestellt hatte, blieb aus. Ich runzelte die Stirn und sah in die schmunzelnden Gesichter meiner Mitschüler. Sogar der Lehrer, der gerade eben noch begeistert zugehört hatte, schüttelte nun flüchtig den Kopf. Für kurze Zeit schaute ich mich irritiert um, bis der Lehrer das Wort ergriff.

 

»Es tut mir wirklich leid, dir das sagen zu müssen, Annie, aber es ist völlig unmöglich, dadurch sein Brot zu verdienen.«

   »Als Künstler musst du entweder schon tot oder irre sein, um bekannt zu werden«, grölte ein Junge hinter mir. »So wie dieser eine, der sich das Ohr abgeschnitten hat. Da siehst du`s, Künstler haben einen an der Klatsche.« Er tippte sich mit dem Zeigefinger an die Stirn. Damit war das Thema beendet und schon der nächste Schüler an der Reihe, der große Begeisterung dafür erntete, dass er Ingenieur werden wollte.

 

»Pff«, stieß ich kaum merklich aus. Durch die Reaktion der anderen, wollte ich ihnen umso mehr beweisen, dass es sehr wohl möglich war, mit Kunst sein Geld zu verdienen, doch es hatte mich auch zutiefst getroffen und Zweifel in mir geweckt.

 

Zu Hause setzte ich mich an meinen Schreibtisch und war das erste Mal seit ich denken konnte, unmotiviert etwas zu malen. Auf dem Tisch lagen halb volle Tuben mit Acryl- und Ölfarbe. Auf der Staffelei, die vor lauter Farbtuben kaum noch Platz hatte, thronte eine Leinwand, auf der ich angefangen hatte, Paris zu malen. Ich kannte die Stadt bisher nur von Bildern, aber in den nächsten Ferien plante meine Familie nach Frankreich zu fahren und ich konnte es kaum noch erwarten, den Eiffelturm und die Seine in der Realität zu sehen. Aus lauter Vorfreude hatte ich dieses Bild angefangen, doch nun hatte ich keine Lust, daran weiterzuarbeiten.

 

Es kamen immer mehr Zweifel auf, nicht nur, dass Künstler kein abgesicherter Beruf war, sondern auch, dass ich mir vielleicht nur einbildete, gut genug zu sein. Was, wenn meine Kreativität und Muse verschwand, so wie es jetzt gerade der Fall war? Dieses Gefühl machte mir Angst und stimmte mich gleichzeitig traurig.

 

Meine Familie merkte, dass etwas mit mir nicht stimmte und ich vollkommen bedrückt wirkte.

   »Ist alles in Ordnung, Annie?«, fragte meine Mutter eines Abends und sah mich besorgt an. Mein Vater legte die Zeitung auf den Tisch und musterte mich ebenfalls. Kaum merklich nickte ich. Meine Eltern hatten ja auch beide hochqualifizierte Berufe und nach der Reaktion meines Lehrers traute ich mich überhaupt nicht, ihnen von meinen Plänen zu erzählen.

   »Ja, alles bestens, die Schule ist nur sehr anstrengend zurzeit«, murmelte ich als Ausrede.

Mein Vater ergriff die Zeitung wieder, als mein Blick auf eine Anzeige fiel.

  »Kunstwettbewerb«, stand in geschwungenen Lettern auf der Rückseite. Das war meine Chance. Endlich hatte ich eine Möglichkeit zu beweisen, dass es sehr wohl möglich war, mit Kunst Geld zu verdienen.

 

Sofort recherchierte ich eifrig im Internet und fand schon bald heraus, dass für den ersten Platz eine stattliche Summe in Aussicht stand. Auch die Aufgabe war nicht sehr schwer, auch wenn mich das Thema nicht gar so inspirierte wie die Gemälde von Städten, Sonnenuntergängen und Blumen, die im ganzen Haus verteilt hingen. »Male deine Zukunft« hieß das Thema.

 

Der Wettbewerb blieb mein Geheimnis. Ich erzählte weder meinen Freunden, noch meinen Eltern davon, denn ich wollte die schnippischen Kommentare, die ich ja bereits zuvor erfahren musste, verhindern. Die Welt der Kunst und der Farbe war meine Welt, nie würde jemand verstehen, wie viel es mir bedeutete. Das machte mich einerseits traurig, denn ich fühlte mich dadurch alleine, andererseits wurde die Kunst dadurch ein Teil von mir, den ich wie einen Schatz in mir hütete.

 

Von neuer Inspiration gepackt, malte ich schon bald die letzten Pinselstriche. Das Werk zeigte mich in einer mit Farbklecksen befleckten Schürze, wie ich in einem Atelier voller Leinwände, Farben und Pinsel stand und eine Farbpalette in der Hand hielt. Ich war zufrieden und meine Stimmung besserte sich. Dies lag nicht nur an dem fertigen Bild, das ich die Tage abschicken wollte, sondern auch an den kommenden Osterferien, in denen wir endlich nach Paris fahren würden. Ich erinnerte mich an das unfertige Gemälde auf meinem Schreibtisch. Ich würde es fertig malen, wenn wir wieder zurück sein würden und ich alles mit eigenen Augen gesehen hatte.

 

Der letzte Schultag zog sich hin, wie der Käse auf einer Pizza und wollte einfach nicht enden. Mein Kopf brummte schon vor lauter Zahlen und Buchstaben und ich hatte das Gefühl, dringend Ferien zu benötigen. Ich wollte weg von der Schule, weg von meinen Klassenkameraden und weg von allem, das ich mit den aufkommenden Zweifel, dass ich es niemals schaffen würde, Künstlerin zu werden, verband. Abwesend drifteten meine Gedanken zu dem gepackten Koffer, der in meinem Zimmer bereitstand. Der Gedanke an die Ferien schaffte es, mich zufrieden zum Lächeln zu bringen. Zudem würde kommende Woche der Gewinner des Kunstwettbewerbs bekannt gegeben werden. Mein Magen zog sich vor Aufregung zusammen, so gespannt war ich auf das Ergebnis. Ich hoffte inständig, dass ich einen der ersten drei Plätze ergattern konnte und mein Bild gut genug war. Ich hatte schon oft gehört, man solle sich nicht zu große Hoffnungen machen, denn dann trat bestimmt das Gegenteil ein und man wurde umso mehr enttäuscht, aber ich sah es nun einmal als einzige Möglichkeit irgendwie in der Kunst Fuß zu fassen. Im Grunde ist es doch in allen künstlerischen Berufen gleich: Je früher man anfängt, desto größer ist die Chance, etwas zu erreichen.

 

Mein Vater stellte seine Reisetasche auf den Boden und begutachtete das Hotelzimmer. Es war nicht sehr groß, dafür aber gemütlich eingerichtet und man konnte doch tatsächlich in der Ferne den Eiffelturm sehen. Mir kam es immer noch unwirklich vor, dass wir nach der langen Autofahrt endlich angekommen waren. Ich hatte gelesen, dass Paris neben »der Stadt der Liebe« auch noch »die Stadt der Kunst« genannt wurde, was mir das Gefühl gab, hierher zu gehören. Am liebsten wäre ich sofort auf Erkundungstour gegangen, aber meine Eltern, beide erschöpft von der Reise, wollten sich erst einmal das Hotel ansehen.

   »Ich bleibe im Zimmer«, antwortete ich rasch auf die Frage, ob ich mitkommen wollte. Mich interessierten keine Spa-Bereiche, Restaurants oder Fitnessstudios, sondern die Museen, in denen ich die berühmtesten Kunstwerke bestaunen konnte und die altmodischen Gassen, die ich auf so vielen Fotos gesehen hatte.

 

Als ich also alleine war, kramte ich mein Skizzenheft aus meinem Rucksack und setzte mich auf das Fensterbrett. Trotz der grauen Wolken und des Regens war die Aussicht wunderschön. Mit einer Skizze konnte man mehr ausdrücken als mit einer simplen Fotografie. Beim Zeichnen, ebenso wie beim Malen beschäftigt man sich intensiv mit dem Anblick, man erkennt jedes noch so kleine Detail, man schenkt dem Bild mit jedem Bleistiftstrich Leben, während eine Fotografie nur das Offensichtliche abbildet. Der Abschuss einer Kamera ist schnell betätigt, aber für ein Kunstwerk, sei es auch nur eine rasche Skizze, ist Konzentration, Ausdauer und Ruhe gefragt. Es war, als würde ich in einer traumartigen Welt versinken, sobald ich anfing ein Bild zu malen.

Meine Eltern weckten mich aus diesem Zustand, als sie wieder zur Tür hereinkamen. Flink packte ich mein Skizzenbuch wieder weg und lächelte sie fragend an. Meine Mutter trug einen Stapel Flyer, die sie jetzt auf dem Tisch ausbreitete.

 

»Na? Was wollen wir uns morgen als Erstes ansehen?«, fragte sie gut gelaunt.

   Mein Vater studierte die Informationsblätter. Letztendlich konnten wir uns darauf einigen, ganz zur Freude meinerseits, morgen ins Louvre zu gehen, tags darauf den Eiffelturm zu besichtigen und die restlichen Tage spontan zu entscheiden, welche Sehenswürdigkeit wir besuchen würden.

 

Fanden andere meines Alters Museen unendlich langweilig, so konnte ich mich umso mehr dafür begeistern. Ich konnte stundenlang vor den Gemälden stehen und die Einzelheiten und Techniken analysieren. Ich glaubte sogar meine Eltern langweilten sich, aber für mich war es alles andere als langweilig. Wahrscheinlich würde keiner verstehen, der diese Begeisterung nicht teilte, wie ich mich in der Umgebung der ganzen bekannten Gemälde fühlte. Irgendwann sollten meine Werke auch in einem Museum hängen, das wünschte ich mir ebenso sehr wie die Kunst zu meinem Beruf zu machen.

 

Am Abend lag ich lange wach und rief mir ein Bild nach dem anderen ins Gedächtnis zurück. Die meisten Gemälde hatten kaum ausgesehen wie gemalt, sondern wie echte Fotografien, so real und wirklich waren sie mir erschienen. Hier in Paris fühlte ich mich meinem Traum näher als je zuvor. Und ich sollte recht behalten, auch wenn dies völlig anders geschehen sollte als ich es mir vorstellte.

 

Mein Herz klopfte wie verrückt, als ich am nächsten Morgen auf mein Handy sah und eine neue Nachricht angekommen war. Die Preisträger des Kunstwettbewerbs waren bekannt gegeben worden. Ich traute mich kaum die Nachricht zu lesen, so angespannt war ich. So sehr wünschte ich mir, einen der ersten Plätze erreicht zu haben, dass ich mir gar nicht vorstellen konnte, nicht gewonnen zu haben. Kurz schloss ich die Augen und atmete tief durch, dann begann ich zu lesen:

 

Liebe Annie,

vielen Dank, dass du an unserem Kunstwettbewerb teilgenommen hast!

Wir haben uns sehr über deinen Beitrag gefreut. Jedoch müssen wir dir leider mitteilen, dass es dieses Mal nicht für einen Platz gereicht hat. Wir würden uns freuen, wenn du nächstes Jahr wieder teilnimmst.

Mit freundlichen Grüßen

Marianne Winter, Leiterin der Kunstschule

 

Ich musste die E-Mail nochmals lesen, um zu realisieren, dass die ganze Hoffnung umsonst gewesen war. Es machte mich unendlich traurig. Die Enttäuschung vermischte sich mit Wut auf die Kunstschule und auf mich selbst, weil ich mir zu große Hoffnung gemacht hatte und nicht gut genug gewesen war. Man sollte nie die Hoffnung aufgeben, aber ich hatte mich an den Wettbewerb geklammert und musste jetzt wohl oder übel feststellen, dass es doch nicht so einfach war wie ich es mir vorgestellt hatte, Künstlerin zu werden.

 

Ich wollte den Urlaub nicht verderben, der doch so schön begonnen hatte, weshalb ich meine Bekümmertheit so gut es ging zu unterdrücken versuchte. Wir machten schöne Fotos am Eiffelturm, setzten uns in ein Café und aßen Croissants und schlenderten gemütlich durch die Straßen. Ich lachte viel, aber tief in meinem Inneren war ich unsagbar bedrückt.

 

Gegen Nachmittag setzten wir uns auf eine Bank mit Ausblick auf die Seine, als ich den alten Mann das erste Mal sah. Zu diesem Zeitpunkt konnte ich noch nicht wissen, dass er mir helfen und ich dank ihm sogar meinen Traum verwirklichen konnte.

Ich war neugierig und fasziniert zugleich.

   »Ich werde mir die Bilder genauer ansehen«, rief ich meinen Eltern zu und war schon auf dem Weg zu dem alten Herrn. Er war ein Straßenkünstler, wie man ihn sich vorstellt. Er trug eine Baskenmütze und eine Schürzte, die etliche Farbkleckse zierte. Dazu kam der weiße Bart, der ihm fast bis zur Brust reichte. Es schien beinahe so, als gehörte er nicht in die heutige Zeit. Ganz alleine saß er dort auf seinem Hocker, vor ihm die Staffelei mit Leinwand und malte konzentriert die Seine mit all den Touristen und Booten ab. Das Gemälde erinnerte mich an mein eigenes Werk zu Hause. Ich spürte einfach, dass der Mann eine solche Leidenschaft für die Kunst hatte, wie auch ich sie hegte.

 

Als er mich bemerkte, lächelte er mich an und sagte: »Bonjour, Mademoiselle.« »Bonjour«, antwortete ich und kam etwas näher. Es schien ihn nicht zu stören, dass ich ihn beobachtete und so blieb ich wie angewurzelt stehen und inspizierte jeden seiner Pinselstriche.

Wie lange ich so dastand konnte ich nicht genau sagen, erst als mich meine Eltern riefen und mich aufforderten, weiterzugehen, wandte ich meine Augen von dem Bild ab.

 

»Dich fasziniert die Kunst, nicht wahr?«, wandte der Mann sich plötzlich an mich. Sein Deutsch hatte einen starken französischen Akzent, aber der Klang seiner Stimme hatte etwas Warmes und Liebevolles. Perplex konnte ich nur nicken.

 

»Ist Künstler Ihr Beruf?«, fragte ich nach einer Weile vorsichtig, denn meine Neugier war so groß, dass ich die Frage einfach stellen musste.

 

Er lachte. »Ich bin Künstler und verdiene damit mein Geld, zwar nicht viel, aber es reicht mir völlig. Aber auch wenn es nicht mein Beruf wäre, ich bin durch und durch Künstler, denn so nennt man nicht den Beruf, sondern die Leidenschaft.« Er legte seinen Pinsel auf einen kleinen Klapptisch neben sich und streckte mir die Hand entgegen. »Mein Name ist übrigens Mathieu.«

 

Immer noch staunend schüttelte ich ihm die Hand und stellte mich vor. Seine Worte hatten mich zutiefst berührt.

   »Kommst du, Annie?«, hörte ich die Stimme meines Vaters.

»Ich glaube, es ist Zeit zu gehen«, lachte Mathieu und ich nickte. »Es war schön dich kennenzulernen, Annie. Und vergiss nicht, jeder kann Künstler sein.«

Ich verabschiedete mich und winkte ihm noch zu, während ich zu meinen Eltern zurückging.

 

Mathieu hatte mir wieder neuen Mut geschenkt, mehr noch, er hatte mich motiviert und mir gezeigt, dass ich schon lange Künstlerin war, auch wenn das Malen nur ein Hobby war. Man musste nur tief im Herzen die Leidenschaft für die Kunst haben.

 

An unserem letzten Ferientag in Frankreich konnte ich meine Eltern dazu überreden, noch einmal an dem Platz an der Seine vorbeizuspazieren. Ich wollte mich bei Mathieu für seine weisen Worte bedanken. Ich würde trotzdem weiterhin dafür kämpfen, später mit meinen Gemälden Geld zu verdienen, ebenso wie auch er. An diesem Tag regnete es jedoch wie auch an unserem ersten Tag in Paris und so konnte ich mich nicht einmal mehr verabschieden. Es schien, als sei nicht nur ich traurig, wieder nach Hause zu fahren, sondern auch die Wolken weinten dicke Regentropfen.

 

Das unfertige Bild stand immer noch auf der Staffelei in meinem Zimmer und es hatte mich auf eine Idee gebracht. Das letzte Wochenende der Osterferien verbrachte ich am Ufer der Isar. Ganz wie auch Mathieu saß ich auf einem klapprigen Hocker und vor mir das Gemälde, das mich an unseren Urlaub in Paris erinnerte. Mir war egal, was die Spaziergänger, die an mir vorbeikamen, dachten. Ich war einfach nur glücklich. Der Tag hätte nicht schöner sein können, der glitzernde Fluss, der strahlend blaue Himmel und die Kunst.

   »Oh, was für ein wundervolles Bild«, sagte eine ältere Frau und blieb neben mir stehen.

   »Vielen Dank.« Es lässt sich kaum beschreiben wie stolz ich in diesem Augenblick war.

   »Sie nur, Liebling«, rief sie ihrem Mann zu, der ein wenig abseits, einen Hund an der Leine führte. »Wie wunderschön dieses Gemälde ist. Würde es zum Verkauf stehen, ich würde es auf der Stelle erwerben.«

Ich konnte kaum fassen, was sie da sagte.

Ihr Ehemann kam näher und siehe da: Es war niemand anderes als mein Lehrer, der noch vor zwei Wochen beteuert hatte, dass man als Künstler nichts verdienen konnte.

   »Wow, Annie, ich wusste ja nicht, dass du so gut malen kannst.«

Ich spürte, dass es ihm leidtat, was er zuvor gesagt hatte und das zauberte ein triumphierendes Lächeln auf mein Gesicht, denn nun hatte ich ihm wirklich bewiesen, dass ich meinen Berufswunsch durchsetzen würde.

 

Aber dieses Bild war nicht zu verkaufen, es würde mich immer an Paris erinnern und daran, dass man nur den Mut und die Begeisterung haben muss, um seinen Traum zu erfüllen und sich niemals unterkriegen zu lassen.

 

Melina Albandopulos

 

 

1. Rang mit 1111 Punkte,    punktgleich mit Melina

 

Little Swordsman

 

 

 

Robert W.  Pseudonym little Swordsman schreibt uns die folgenden Lettern:

 

"Sehr geehrtes Team von pierremontagnard.com

 

ich danke Ihnen allen, dass ich meinen ›Aufsatz‹ so formuliert bei Ihnen vorstellen durfte, denn offensichtlich wurde er nicht nur von vielen Jugendlichen, sondern auch Erwachsenen gelesen. Dass ich damit sogar noch unter den Gewinnern lande, hätte ich mir nicht in den kühnsten Träumen ausgemalt, zumal ich mich heute fast etwas schäme, ob meiner pessimistischen Darlegung. Trotzdem darf ich behaupten, dass alle meine Gedanken beim Niederschreiben echt ehrlich waren. Es scheint tatsächlich, dass es einigen jungen Menschen ähnlich ergeht wie mir und mir sogar von Erwachsenen Verständnis entgegengebracht wird. Einerseits müsste mich das eigentlich freuen, doch andererseits drückt es auch eine bedenkliche Hoffnungslosigkeit  in der heutigen Zeit aus.

 

Es würde mich abschließend sehr freuen, wenn ich Sie um vier Dinge bitten dürfte.

 

Dass Sie diesen, meinen Brief, öffentlich vorzeigen, dass ich hier an dieser Stelle nicht nur allen Siegerinnen und Siegern, sondern auch den letzten der Rangliste gratulieren darf. Dass Sie mein pessimistisches Werk nicht nochmals posten und dass ich auf den materiellen Gewinn von 150 Euro zugunsten Ihres Kinder-Projektes verzichte. 

 

Mit lieben Grüßen

 

Little Swordsman

3. Rang mit 1107 Punkte

 

Anna S.

 

Anna beschreibt die vergebliche Liebes-mühe ihrer Protagonistin Ivy, die ihre völlig entfremdeten Eltern teilhaben  lassen möchte an der Erfüllung, die sie selbst gefunden hat. Stattdessen bleibt es bei vielen unbeantworteten Briefen. Ein schicksalhaftes Ereignis verhindert, dass Ivy trotzdem noch die ausgestreckten Hände ihrer Eltern erfährt. Das von Ivy gefundene Glück und ihr Herzenswunsch, dieses mit ihren Eltern teilen zu dürfen, haben Sie sehr anschaulich und in seiner ganzen Tragik geschildert. 

 

Herzlichen Glückwunsch, Anna.

Wettbewerbsnummer 033

 

Liebe Mama, lieber Papa

(Urheberrechte & Copyrights © by Anna S.)

 

 

Liebe Mama, lieber Papa,

 

ich werde auswandern. Es tut mir leid, dass ihr es so erfahren müsst, doch seit ihr mich nicht mehr besuchen kommt, wusste ich nicht mehr wie ich euch erreichen soll, da ihr immer noch jeglichen Kontakt zu diesen Klapptelefonen verweigert, wie mir eure sehr gesprächige Nachbarin am Dienstag beim zufälligen Treffen an der Supermarktkasse erzählte. Sie ist eine nette Frau. Aber ich verstehe, dass Mama auch den Kontakt zu ihr versucht zu vermeiden. Ich wollte euch besuchen

 

kommen, um persönlich mit euch darüber zu reden, doch eure Nachbarin sagte auch ihr würdet euch zur Zeit des Öfteren in eurem Ferienhaus aufhalten, von welchem ihr mir seit meiner Geburt nie erzählt habt, wo es sich befindet, vermutlich um zu vermeiden, dass ich euch in eurem Urlaub in Zweisamkeit störe oder dort ein Saufgelage mit meinen Freunden veranstalte, was vermutlich auch passiert  wäre, weshalb ich es euch nicht übel nehme. Zumindest jetzt nicht mehr. Und da mir sonst keine andere Möglichkeit einfiel euch zu erreichen, da ich auch eure Festnetznummer nicht mehr im Kopf habe, schreibe ich euch diesen Brief. Ich weiß nicht, wann ihr ihn lesen werdet, oder ob ihr überhaupt vorhabt aus eurem Ferienhaus wieder nach Hause zu kommen. Aber so habt ihr wenigstens einen Abschied von mir und ich kann mit gutem Gewissen meine Eltern über meine Pläne unterrichtet zu haben gehen.

 

Meine Wege werden mich also weg von euch und von hier führen. Nehmt es nicht persönlich, aber seit meinem Auszug vor zwei Jahren in die WG, die ihr nie mochtet, weshalb eure Besuche auch schnell ausblieben, weiß ich nun, dass ich bereit bin mich ohne den elterlichen Schutz, welcher oft eh etwas fragwürdig war (aber ihr konntet schließlich auch nichts dafür, dass die Babysitterin nicht kam und mein zehnjähriges Ich drei Tage lang alleine zu Hause war, weil ihr auch nicht anrieft), in die Welt hinaus begeben kann. Mein Fernweh war immer da. Ich erzählte euch jedes Jahr davon, wie gerne ich in diese großen und schönen Städte aus meinen Büchern reisen würde. Mama küsste mich dann immer auf den Kopf und sagte, dass wir es versuchen würden, wenn wir das Geld dazu hatten. Doch letztendlich machten wir keine Reise zu den Orten, die sich in meinem Kopf aus einem Lichtermeer und tanzenden Menschen zwischen großen, aneinandergereihten Häusern mit bunten Lichtern zusammensetzten.

 

Nicht weil das Geld fehlte, sondern weil ihr es an anderen Stellen investieren wolltet. An Stellen, an denen ich kein Anteil hatte. Zumindest nicht oft. Natürlich war dort der Mallorca Urlaub vor 3 Jahren, in dem Mama die ganze Zeit versuchte mich mit dem Jungen von unserem Nachbartisch zu verkuppeln und mir eintrichterte, dass unsere Zukunft rosig sein würde und es sogar so aussah, als würde er es mal weit bringen. Als wäre mir sowas je wichtig gewesen Mama. Das hast du wohl auch erst verstanden, als du das erste Mal in der WG standest und dich angewidert umgesehen hast.

 

Auch du sahst nur minder begeistert aus Papa und beim Abschied sah man euch ein wenig zu dolle an, wie froh ihr wart nach Hause zu fahren. Mama sagte noch ich könne jeder Zeit wieder in euer Haus kommen, wenn mir diese “Bude” mit dem Instantkaffee und den leeren Pizzakartons in der Papiertonne zu viel beziehungsweise zu wenig wurde und ich meinen Blick wieder auf die “richtig wichtigen Dinge” wie meine Karriere in der Zukunft richten wollte.

 

Dass ich mich dort zu Hause gefühlt habe mit den Palettenbetten und gleichgesinnten Menschen, denen die kleinen Dinge im Leben reichen und ich mein Leben im Griff habe, habt ihr gekonnt überhört.

 

Dank meiner Überstunden im Supermarkt, in dem ich oft bis spät abends Regale einräumte und morgens schon vor dem Unterricht arbeitete, habe ich ein wenig Geld zusammensparen können, sodass ich vorerst abgesichert bin. Und nun werde ich also ganz gehen. Ich weiß noch nicht wie lang sich mein Aufenthalt im Ausland ziehen wird. Ich werde auch nicht nur an einem Ort sein. Ich werde Teil einer Organisation werden, die rund um die Welt Menschen hilft, die wirklich Hilfe brauchen. Und nein damit meine ich nicht eine Einkaufshilfe, die die Leute berät wenn sie so wählerisch sind wie Oma, wenn sie ein Restaurant für ihren Geburtstag aussuchen muss.

 

Ich werde zusammen mit anderen Menschen in meinem Alter Brunnen in Afrika graben und wir werden Hütten bauen, um Menschen rund um die Welt ein Zuhause zu geben, damit sie die Chance haben auf ein gutes Leben oder zumindest erstmal die Möglichkeit auf einen Neustart. Ich werde in Sicherheit sein, also braucht ihr euch keine Sorgen um mich zu machen. Ich möchte diese Sicherheit auch an andere weitergeben. Jeder Mensch sollte spüren, dass es jemanden gibt, der sich um ihn kümmert, egal ob es jemand Fremder ist oder ein Familienmitglied. Es war schon immer mein Herzenswunsch den Menschen zu helfen, denen Papa immer sein Kleingeld nach dem einkaufen in den Pappbecher warf. 20-Cent-Stücke mögen ja noch so großzügig sein, doch ich werde Essen verteilen und vielen Obdachlosen die Möglichkeit auf einen warmen Winter geben..., die Möglichkeit zu überleben.

 

Diese Aktivitäten sind ehrenamtlich und somit werde ich keinen Cent Gewinn aus der Sache mitbringen. Und das ist das was ich wollte.

 

Vielleicht werdet ihr das nicht verstehen, doch würde ich Gewinn dort raustragen, würde mich das schlechte Gewissen plagen. Ich liebte schon immer das Lachen in Opas Gesicht, wenn ich ihm etwas Selbstgebasteltes zum Geburtstag oder sonstigen Feierlichkeiten schenkte. Das war für mich das Schönste am Fest. Und genau dieses Lächeln möchte ich in die Welt tragen. Ich weiß, dass ihr mir immer alle Möglichkeiten (außer einen Urlaub in Barcelona oder Paris) geben wolltet. Ihr hättet bestimmt auch noch einen Mann mit einem beträchtlichen Einkommen und dem Wunsch nach zwei Kinder und einem Leben in einer Großstadt für mich gefunden. Doch das ist nicht das was ich mir für meine Zukunft und die Zukunft meiner Kinder wünsche. Zunächst werde ich mich um andere Menschen kümmern, die es mehr brauchen als ihr oder ich oder meine “gammligen Mitbewohner”

(Zitat Mama). Ich habe die Schule beendet wie es abgemacht war, als ich ausgezogen bin. Nun bin ich bereit mein Leben zu leben und endlich den Weg zu gehen, den ich für mich ausgesucht habe.

 

Solltet ihr im Laufe der nächsten Monate den Wunsch verspüren mir zu schreiben, könnt ihr eure Briefe einfach an meine alte Adresse senden. Ich werde meine WG Mitbewohner weiterhin auf dem Laufenden halten, was meinen Standort anbelangt.

Ich bin aufgeregt und freue mich sehr auf die neuen Möglichkeiten und Erfahrungen, die mich erwarten werden. Es wird ein riesiges Abenteuer. Ich fühle mich ein wenig wie das Mädchen, aus Papas Erzählungen, wenn ich nicht einschlafen konnte. Sie reiste auch in neue Welten und erlebte jede Menge coole Dinge, die sie später in einem Buch veröffentlichte, womit sie Menschen Mut machte.

 

Macht euch nicht zu viele Sorgen um mich. Meine Pläne werden aufgehen. Das weiß ich genau.

 

In Liebe

Ivy , 23.10.2004

 

 *****

 

Liebe Mama, lieber Papa,

 

ich bin verliebt. Ich bin verliebt in die traumhaften Landschaften Norwegens und die wundervollen Sonnenuntergänge Afrikas.

Ich war in Paris, Barcelona und in Rom.

Auf meiner Reise um die Welt habe ich viel Leid gesehen. Doch es wird euch freuen zu hören, dass ich vielen Menschen helfen konnte. Ihr solltet das Strahlen in den Augen der Leute sehen, wenn sie ihr neues Zuhause betreten können und ihre erste warme Mahlzeit nach Jahren zu sich nehmen. Es ist das Schönste auf der Welt diesen Menschen eine Freude zu machen. Und auf der anderen Seite sind dort die Straßenfeste, von welchen wir oft Teil werden, wenn wir an neue Orte reisen, um Gutes zu tun. Die Menschen begrüßen uns als wären wir Heilige. Und sie freuen sich so sehr.

 

Zurzeit halten wir uns in Afrika auf. Wir haben den Kindern Hefte und Stifte mitgebracht und ab morgen werden sie unterrichten, solange bis ausgebildete Lehrer von der Organisation eintreffen werden. Gestern Abend haben wir zusammen mit ihnen Musik gemacht und die Kleinen kamen und setzten sich zu mir und den anderen um unseren Geschichten und der Musik zu lauschen. Das ist der Ort wo ich hingehöre. Wir werden den Kleinen die Chance auf eine gute Zukunft geben, in dem wir sie bilden und Perspektiven zeigen.

Meine Zukunft soll für ihre Zukunft bestimmt sein. Ich werde euch anbei eine Adresse schicken, an welche ihr Geld spenden könnt, um auch ein kleiner Teil ihrer Zukunft zu sein. Auf meinen letzten Brief habt ihr bis jetzt noch nicht geantwortet aber vielleicht habt ihr ihn auch noch gar nicht gelesen. Ich hoffe, ihr habt einen schönen Urlaub und genießt eure Zeit. Bis bald.

 

In Liebe

Ivy, 02.04.2005

 

*****

 

Liebe Mama, lieber Papa,

 

ich bin verlobt. Nun zunächst habe ich mich natürlich verliebt. Er ist ein Lehrer an der Schule in Afrika, von welcher ich euch in meinem letzten Brief erzählt habe. Wir haben uns auch hier in der Schule kennengelernt. Er kommt ursprünglich sogar aus Afrika und schaffte damals den Sprung in ein Leben in Europa. Nun ist er aus den gleichen Gründen hier wie ich. Sein Name ist Niam und er ist drei Jahre älter als ich. Also noch im erlaubten Maß richtig Mama? Und wenn nicht muss ich euch mitteilen, dass ich ihn trotzdem heiraten werde. Er machte mir den Antrag als wir mal wieder gemütlich zusammen saßen. Die Kinder hatten extra ein Lied einstudiert, welches sie sangen, während er auf die Knie ging und mich fragte. Wisst ihr, es ist Liebe. Das habe ich gemerkt. Ich weiß noch, wie ich Papa früher immer fragte, woran man wahre Liebe erkennt. Er konnte mir nie eine für mich ausreichende Antwort geben, da mir “man fühlt es einfach” nicht plausibel genug war. Doch jetzt weiß ich was du meintest Papa. Und ich hoffe, ihr habt auch mal dieses Gefühl gehabt, wie nach Hause kommen verbunden mit Wärme und diesem Kribbeln. Es ist das schönste Gefühl der Welt. Unsere Hochzeit wird in drei Tagen stattfinden. Wir haben das ganze Dorf eingeladen. Die Frauen versicherten mir, dass dieser Tag besonders wird und voller Freude. Ich wünschte ihr könntet hier sein, doch ihr werdet es wohl kaum schaffen innerhalb von drei Tagen diesen Brief zu empfangen, geschweige denn ihn zu lesen. Und seien wir ehrlich...ihr wärt nicht gekommen. Spontanität war nie so das eure.

 

Ich wollte nur, dass ihr wisst, dass für mich ein riesiger Traum in Erfüllung geht. Das, was ich mir immer vorgestellt habe, wird nun wahr.

 

Nicht unbedingt das weiße Kleid, welches an Prinzessinnen aus den ganzen Kinderfilmen erinnert, von denen Mama mir immer erzählt hat. Aber die Leute, die Musik, die Freude. Das wird da sein und das ist alles, was ich mir für diesen wichtigen Tag wünsche. Und dieses Glück wird für immer sein. Das weiß ich. Wo wir dieses “für immer” verbringen werden ist dann auch egal. Vielleicht weiter hier aber vielleicht auch in Amerika oder Deutschland. Ich hoffe, es geht euch gut und dass ihr uns besuchen kommen werdet.

 

In Liebe

Ivy, 06.09.2005

 

*****

 

Liebe Mama, lieber Papa,

 

ich bin schwanger. Und mal wieder sehe ich keine andere Möglichkeit es euch mitzuteilen als über diesen Brief, da ich noch keine Rückmeldung von euch erhalten habe und mittlerweile auch nicht mehr darauf hoffe. Leider kann ich nun da ich in Afrika bin keine Informationen von eurer geschwätzigen Nachbarin erhalten, da ich es nie für nötig hielt sie nach ihrer Telefonnummer zu fragen. Obwohl es nun auch schwierig wäre sie zu erreichen, da ich mein Handy vor ein paar Wochen verloren habe. Was aber gar nicht weiter schlimm ist. Dieses komische Tasten Teil brauche ich nicht. Vielleicht war es zu naiv von mir zu denken, ihr würdet euch noch für mich interessieren oder mir antworten.

 

Ich werde euch anbei jedoch trotzdem Bilder unserer Hochzeit schicken.

Sie war traumhaft und wenn ihr euch die Bilder anseht werdet ihr die Freude ebenso spüren können. Das hoffe ich zumindest. Und nun sind wir also schwanger, wie Oma jetzt sagen würde, auch wenn natürlich nur ich das Kind austragen werde. Ich bin im 5. Monat und dem Kind geht es gut. Niam und ich sind so glücklich und er nimmt mir schon jetzt jede Aufgabe ab, um mich zu schützen.

 

Das Strahlen in seinen Augen, wenn er anderen von dem Baby erzählt ist unbezahlbar. Er wird ein guter Vater. Genau so einer den ich mir immer für meine Kinder gewünscht habe, ein Dad, der immer für sie da sein wird und selbst an Regentagen die Sonne zum Vorschein bringen kann. Wir unterrichten beide weiterhin an der Schule und verbringen viel Zeit mit den Leuten aus dem Dorf. Mit meinem Babybauch bin ich noch mehr eine Heilige als sonst und die Frauen beschenken mich mit kleinen Dingen, wie Kräutern, die gut für mich sein sollen, während die Männer mir täglich ein Glas frische Milch ihrer Kühe zur Stärkung bringen. Das hier ist zu Hause. Doch Niam und ich merken, dass wir auch noch etwas anderes von der Welt sehen möchten. Bald möchte ich auch zu euch kommen, doch ihr scheint weiterhin den Kontakt meiden zu wollen, was ich respektieren werde, wenn ich es auch nicht ganz verstehe. Es ist ein bisschen, wie 2001 als Mama verkündete für vier Wochen wegzuziehen und wir sie kein einziges Mal besuchten und sie uns auch nicht schrieb.

 

Dass ihr es mir nie erklärt habt und auch nie wieder darüber gesprochen habt, machte es nicht besser. So ist es nun wieder. Vielleicht denkt ihr immer noch ich hätte mich gegen euch gewendet, auch wenn dem nicht so ist und ihr jeder Zeit willkommen seid.

 

Ich hoffe, ihr werdet bald antworten. Ich hoffe wenigstens um eures Enkels willen, wenn schon nicht wegen meiner oder Niams Wenigkeit.

Ich halte euch auf dem Laufenden.

 

In Liebe

Ivy, 06.04.2006

 

*****

 

Liebe Mama, lieber Papa,

 

wir sind in Norwegen. Und ihr seid nun schon zweifache Großeltern.

Eure Enkelsöhne sind gesund und strahlen wie der Sonnenschein. Ihre Namen sind Nio und Hawi. Am Samstag werden wir Nios dritten Geburtstag feiern und er freut sich schon riesig.

 

Hawi ist nun auch schon fast ein Jahr alt. Wie schnell die Zeit vergeht.

Eure Enkel verstehen sich super und es war uns wichtig, dass Nio nicht alleine aufwächst. Nun albert er unentwegt mit Hawi rum und ist total vernarrt in seinen kleinen Bruder. Sie sind zuckersüß und man erkennt zumindest bei Nio eine gewisse Ähnlichkeit zu dir Papa.

 

Nachdem Hawi geboren wurde, haben wir uns dazu entschlossen umzuziehen. Wir waren uns zunächst nicht sicher, wo wir uns niederlassen sollten, weshalb wir drei Monate in Paris verbracht haben. Und in dieser kurzen Zeit ist Paris zu meinem Lieblingsort geworden. Doch wir wollten noch weiter die Welt entdecken und weitere schöne Orte entdecken. Also sind wir jetzt hier in Norwegen. Wir haben ein wunderschönes Häuschen gefunden mit einem riesigen Garten, wo im Sommer die schönsten Blumen und Früchte zu finden sind und welcher so ausschaut wie die Gärten auf den großen Gemälden in Papas Büro. Nio liebt es im Garten zu spielen und das Haus ist groß genug um mindestens sechs Personen zu beherbergen.

 

Heute Nachmittag werden wir anfangen das Haus zu streichen. Es wird blau, da es zu Nios Lieblingsfarben gehört, obwohl er es wohl lieber ganz bunt gehabt hätte. Bald werden wir auch noch eine Terrasse bauen von wo aus wir morgens den Sonnenaufgang beobachten können, und nebenbei Kaffee trinken und Zeitung lesen, so wie ihr es morgens immer in der Küche getan habt, während das Sonnenlicht hereinschien.

 

Niam hat angefangen als Lehrer an der örtlichen, deutschen Schule zu arbeiten. Auch hier gehen Kinder zur Schule, die es im Leben schwerer haben als andere. Und ich werde bald anfangen in einer Kita zu arbeiten, während ich nebenbei Essen für Bedürftige austeilen werde.

 

Also gehen wir auch hier unserer gemeinnützigen Arbeit weiter nach und sind finanziell abgesichert.

Und norwegisch können wir mittlerweile auch schon sprechen. Es hört sich super cool an und es ist lustig, da wir es nun in Deutschland als unsere Geheimsprache einsetzen können. Mit den Kindern reden wir meist norwegisch oder englisch um ihnen den späteren Alltag hier zu erleichtern. Bis jetzt klappt es super.

Ich hoffe, es geht euch gut und dass ihr uns bald besucht.

 

In Liebe

Ivy 08.08.2009

 

*****

 

Liebe Mama, lieber Papa,

 

heute war ich bei eurer Beerdigung. Also ist es logisch, dass ihr diesen Brief nicht mehr lesen werdet. Doch in den letzten Jahren habe ich euch mein Leben in Worten dargelegt und nun will ich dies ein letztes Mal tun. Wir wollten schon lange nach Deutschland, auch um euch zu besuchen, doch wir waren uns nie sicher wann der richtige Zeitpunkt wäre, da ihr euch nie gemeldet habt. Und dann erhielt ich den Anruf, dass ihr verunglückt wärt. Ich konnte es zunächst nicht glauben und war ein Stück wütend, da ihr euch seit Jahren nicht meldet und es dann eine solche Nachricht ist, die mich über euren Zustand unterrichtet.

Und nun sind wir hier und ich trauere um euch auch wenn ihr euch in den letzten Jahren nicht mehr für mich interessiert habt. Vielleicht weil ihr es nie verkraftet habt, dass ich euch früh verließ und dann auch noch ins Ausland ging. Doch was soll ich sagen. Alle Entscheidungen, die ich getroffen habe, haben mich dorthin geführt, wo ich jetzt bin. Ich bin zu der Abenteuererin aus Papas Geschichten geworden.  Und ich könnte nicht glücklicher sein. Die Kinder und Niam sind das beste, was mir je passiert ist und unser Zuhause ist ein Traum. Wir leben unseren Traum, weil wir immer genau das taten, was wir liebten und wollten.

 

Ich habe ein schlechtes Gewissen, weil wir euch nicht noch einmal besuchen konnte, doch wie ich von eurer Nachbarin, welche mich sofort wieder freundlich anquatschte hörte, ging es euch die letzten Monate super und sie hörte regelmäßig wie ihr euch in eurer Wohnung mit euren Freunden traft, um teuren Wein zu trinken.

Es ist bedauerlich, dass ihr eure Zukunft nicht noch weiter ausleben konntet. Doch zumindest waren eure letzten Wochen schön.

Und nun weiß ich dank eures Testaments auch wo euer Ferienhaus liegt. Paris. Ihr habt es mir vererbt und ich hätte nicht gedacht, dass es  weit weg ist und ihr so einen guten Geschmack für gute Standorte habt.

 

Und ich weiß auch, dass ihr mich nie mitgenommen habt, weil nahe eures Stadthäuschens ein Obdachlosenheim war, welches ihr auch mit finanziert habt, von dessen augenscheinlichen Leid ihr mich jedoch fernhalten wolltet. Niam und ich werden es euch nachtun und werden ihm auch finanzielle Unterstützung von meinem Erbe zukommen lassen.

Am morgigen Tag werde wir das erste mal zum Haus fahren und es wird sicher wunderschön. Wir werden uns die Zeit als Familie nehmen und mit euren Enkelsöhnen und eurer zweijährigen Enkeltochter Nilaja eine Auszeit nehmen. Die Kleine ist genauso ein Sonnenschein wie ihre Brüder und die drei sind das, wohl süßeste Trio, was ihr euch vorstellen könnt.

 

Niam und ich werden ein Buch schreiben über unsere Erfahrungen und unsere wundervolle Familie, um andere Menschen zu ermutigen ihre Träume zu verfolgen. Wir sind dankbar für diese Chance auf ein so tolles Leben und dass wir den Mut hatten, unsere Träume zu verwirklichen und das wollen wir teilen. 

Ihr werdet hier sehr vermisst. Ruht in Frieden.

 

In Liebe

Ivy, 18.01.2014

 

 

ENDE

 

4. Rang mit 1053 Punkte

 

Lian Hoffmann

 

Lian beschreibt zerfetzend nah, den inneren und äußeren Kampf des Lebens: Kampfan-sage gegen die inneren Schwächen des eigenen Ichs, Auflehnung und Kampfansage gegen die äußeren, unausweichlichen Einflüsse. Kampf um und das Hinterfragen von Lebens-Sinn. Unbereit für Kompromisse. Lernbegierig, doch leidend, sucht sie nach dem Weg, den sie finden und begehen möchte.

 

Hut ab, Lian, Sie haben wirklich tief geschürft!

 

 

 

Wettbewerbsnummer 061

 

 

Träume loslassen

(Urheberrechte & Copyrights by Lian Hoffmann)

 

Mit jedem Atemzug raubte mir die Welt die Luft zum Atmen. Warum zwingt sie mich zu leben? Zu leben in einer grausamen Welt?

Erblicke ich den ersten Sonnenstrahl, der mich geweckt hat, fühle ich mich elend. Er hat mich von dem Ort weggerissen, in dem ich mich willkommen fühlte, anders als in der Welt, in die er mich abgesetzt hatte. Sobald ich nämlich in dieser realen Welt ankam, war nichts mehr so, wie ich es mir wünschte. Ich hatte das Gefühl, bloß meiner Existenz willen zu leben.

   Ich rede von einer grausamen Welt, dabei bin ich das, was die Menschen privilegiert nennen. Und würden sie wissen, was ich hier gerade schreibe, dann würden sie mich undankbar schimpfen.

 

6 Uhr morgens, eine Zeit, zu der ich nicht gerne aufstand. Doch der Wecker klingelte und riss mich aus dem Schlaf, aus meinen süßen Träumen. Nur das wohlige Gefühl, das mir der Traum gegeben hatte, war geblieben. Aber mit jeder Sekunde, der das wohlige Gefühl der Erbarmungslosigkeit der Realität gegenüberstand, schrumpfte es. Alles, was blieb, war eine kalte Leere.

   Der Gedanke, einfach den Wecker auszuschalten, mich in die Decke einzukuscheln und weiter zu träumen, war verlockend. Gleichzeitig wusste ich, dass dies keine Option war, die mir zustand. Also schaltete ich den Wecker aus und stand auf.

   Mir fielen mindestens eintausend Dinge ein, die ich jetzt gerne machen würde. Lieber, als mich fertig zu machen und einen dreißigminütigen Weg zur Schule zu bestreiten, um dort stundenlang herumzusitzen. Diese Dinge waren mir nicht nur lieber, ich erachtete sie als wichtiger. Aber sie durften mir nicht wichtiger sein. Meine Priorität hatte die Schule zu sein.

 

Nur ein einziges Mal, flehte ich. Ein einziger Traum sollte in Erfüllung gehen, damit ich wusste, dass es sich zu leben lohnte. Mir kamen Tränen der Verzweiflung, als die Welt einen Traum nach dem Anderen mit einem Hammer zerschmetterte. In meiner Verzweiflung versuchte ich die Scherben meiner Träume aufzufangen. Ich konnte sie nicht aufgeben. Doch während ich versuchte sie aufzufangen und festzuhalten, schnitt ich mich abermals an ihnen.

   Blutend lag ich am Boden und konnte nicht loslassen. Die Scherben in meinen Armen schnitten immer tiefer in meine Haut. Sie waren alles, was mir geblieben ist – dachte ich, während der Schmerz mich durchzuckte. Sie sind Hoffnung.

Ich redete mir ein, dass ich es dieses Mal schaffen werde.

   Dennoch weinte ich.

Denn ich wusste, dass dem nicht so sein würde.

 

Mein alltägliches Morgenritual vollzog sich, ohne dass ich überhaupt begriff, wem es galt.

   Ich suchte nach Kleidung, die angesagt war und die mich schön aussehen ließ.

Ich schminkte mich, um meine Makel zu verdecken und mein Gesicht ertragen zu können.

   Ich schaute in den Spiegel, in der Hoffnung jemanden zu sehen, den ich sehen wollte. Doch ich kannte diese Person im Spiegelbild nicht. Sie war nicht ich. Das war nicht der Körper, der zu mir passte, nicht das Aussehen, das ich mir wünschte.

   Ich hatte das Gefühl, im Körper eines Fremden zu stecken. Diesen Körper hatte ich mir nicht ausgesucht. Das, was ich mit ihm machte, war ebenfalls nicht das, was ich wirklich wollte. Ich tat lediglich das, was man von mir erwartete, gar verlangte.

 

Ich befand mich in einem Boxring, aber nicht allein. Mir gegenüber stand die Welt mitsamt ihrem Hammer in den Händen. Doch meine Hände waren leer. Die einzige Waffe, die ich hatte, war die Hoffnung. Aber sobald ich 1 gegen 1 gegen die Welt kämpfte, kam mir die Hoffnung als Waffe wie Wahnsinn vor. Die Hoffnung zu gewinnen, war ebenfalls nur ein dummer Traum, den die Welt zerschmettern würde.

 

Am meisten schockierte mich, dass es nicht einmal mehr merkwürdig war. Es hätte aber merkwürdig sein müssen! Um 8 Uhr morgens befand ich mich in einem Gebäude, dass ich nie hätte freiwillig betreten wollen. Als ich mich umsah, sah ich Gesichter, die meinem Eigenen wohl glichen. Müde, lustlose Gesichter. Und ich wusste, das war die Welt, in der wir lebten. In einer Welt, in der es normal war, so lustlos auszusehen.

 

Es hätte mich wohl kaum noch gewundert, wenn mein Körper an einer Schnur befestigt und von ihr bewegt worden wäre. Denn genauso fühlte ich mich, wie eine Marionette.

   Ich hörte dem Lehrer zu, aber nicht, weil mich interessierte, was er sagte, sondern weil ich dachte, dass ich ihm zuhören musste. Und während ich mir all das Wissen aufschrieb, von dem ich glaubte, dass ich es in meinem Leben nicht gebrauchen könnte, nagte die Angst an mir. Ich sah eine Sanduhr vor meinen Augen, deren Sand ununterbrochen niederrieselte und sie wollte sagen, dass mir die Zeit ablief.

 

Meine Hoffnung ließ mich immer und immer wieder angreifen, hart und härter zuschlagen und -treten. Nichts zeigte Wirkung, denn ich war nur ein Mensch, unbedeutend und klein. Ich dachte immer, dass mein Leben von Bedeutung wäre, doch das war es nicht. Während jeder sein eigenes Leben lebte, war es für keinem von Belang, ob ich existierte oder nicht.

   Die Schläge der Welt taten fürchterlich weh, doch das war nicht der Grund, weshalb ich solche Angst vor ihnen hatte. Ich wich vor ihnen zurück, weil ich Angst hatte zu fallen, wenn einer der Schläge mich aus dem Ring hinaus ins Nichts schleudern würde. Dadurch, dass mein einziges Ziel nur noch war, den Schlägen der Welt auszuweichen, hatte ich nicht länger die Kontrolle.

 

Erleichterung überkam mich, als die Schule mich aus ihren Fängen entließ. Ich hatte mich nicht selbst befreit, sondern nur darauf gewartet, dass sie mich Punkt 15 Uhr wieder ausspuckte.

   Den Heimweg über, trat ich in die Pedale meines Fahrrads und merkte, wie schwer mein Kopf vor Erschöpfung war. Die Erschöpfung hatte sich so breit gemacht, dass sie meinen Zielen keinen Platz mehr ließ. Ich wollte einfach nur weg von dieser Welt und träumen.

   Eine Sekunde, sagte ich mir, will ich mir zum Entspannen gönnen. Doch kaum schloss ich die Augen, um der Realität zu entfliehen, verlockte mich die Traumwelt mitsamt ihrer Schönheit. Das wohlige Gefühl, das von der realen Welt erstickt worden war, kehrte zu mir zurück, und ich dachte, dass ich nun endlich Zuhause sei. Hier war ich frei von dem, was die reale Welt von mir verlangte, war frei von der Determination, die mir all das nahm, was mich hätte glücklich machen können.

 

Während ich einer Welt versank, in der ich mir vorgaukelte, ein schönes Leben zu haben, merkte ich gar nicht, wie ich einer unersättlichen Sucht nach falschem Trost verfiel.

   Denn kaum hatte ich die Augen aufgeschlagen, war all das verschwunden, was mich glücklich machen sollte.

 

Was kann ich wollen? Bin überhaupt ich diejenige, die Wünsche und Träume und Ziele hat oder ist das nur ein weiterer Faden der Welt? Ich bin so, wie man mich erschaffen hat, eine Mischung aus Genen und äußeren Einflüssen. Wenn ich nichts davon selbst bestimmt habe, wer bin ich dann überhaupt noch?

   Ich dachte immer, dass ich die Wahl hätte. Aber wenn ich nur nach dem Charakter handle, der mir auferlegt wurde, dann hatte ich sie nicht. Dann hatte ich überhaupt nichts.

 

Träume sind bloß Wünsche, die nie die reale Welt betreten würden. Sie sind nicht das Gleiche wie der Wille, etwas zu erreichen wie Ziele.

   Vielleicht wird es stets nur mein Traum bleiben, eine bekannte Autorin zu werden. Aber heute noch ist er mein Ziel. Und der Stolz, etwas erreicht zu haben, würde sich nicht erträumen, sondern solange auf sich warten lassen, bis er einen Grund hat, aufzutauchen. Irgendwann werde ich ihn fühlen und bis dahin werde ich arbeiten.

   Doch vergeht die Zeit, wenn ich schreibe. Und oft packt mich das Gefühl, meine Zeit zu verschwenden, denn ich verfalle der Angst, zu denken, dass ich versage.

 

Ich denke, dass jeder Ziele hatte, die er im Laufe seines Lebens vergisst. Aber man vergisst nicht nur sein Ziel, man vergisst für etwas zu kämpfen, das einem wichtig war. Ich nenne das, aufgeben.

Es ist einfacher, sich einzureden, dass diese Ziele für einen unerreichbar sind. Vielleicht sind sie das, doch reicht ein „vielleicht“ nicht aus. Solange ich nicht alles dafür gegeben habe, meine Ziele zu erreichen, werde ich niemals herausfinden, ob ich es geschafft hätte.

 

Träumen ist der einfachere Weg. Und auch wenn mir die fiktive Welt alles geben konnte, was ich mir wünschte, blieb ich in der realen Welt. Einfach konnte es jeder haben. Aber ich will nicht länger die Marionette der Welt sein und endlich anfangen, die Fäden selbst in die Hand zu nehmen.

Also stand ich auf, zog meine Boxhandschuhe fester und wartete auf das Startsignal, das die nächste Runde ankündigen würde.

 

Während der Laptop auf meinem Schoß wartete, benutzt zu werden, schweiften meine Gedanken ab. Das Meiste, das mir im Kopf herumschwirrte, waren leere Wünsche ohne Hoffnung auf Verwirklichung. Sie hatten keine andere Wahl, als Träume zu bleiben, denn sie konnten niemals Fuß in der Realität fassen. Ihre gleichzeitige An- und Abwesenheit quälte mich. Und so tippte ich die ersten Sätze in mein Laptop, um diese Träume zu vergessen.

 

Die wievielte Runde dies nun war, hatte ich vergessen. Dazu waren es zu viele gewesen.

   Hinter dem Ring gab es eine Tribüne, die wie der Boxring in der Leere schwebte. Dort saß das Publikum, von dem mein naives Ich gedacht hatte, dass es mir zuschauen würde. Doch sie interessierten sich nicht für meinen Kampf. Sie schauten nicht einmal zu mir her. Viel zu sehr waren sie mit ihrem eigenen Kram beschäftigt.

   Sie ignorierten, wer neben ihnen zu Boden ging, grün und blau geschlagen wurde, oder sogar ins Nichts geworfen wurde. Denn sie hatten ihren eigenen Kampf zu kämpfen und zu gewinnen, war das einzige, was sie noch zu interessieren schien. Meinen Kampf konnten sie nicht auch noch kämpfen. Und so blieben wir alle allein.

 

Die Welten in den Geschichten aus Büchern oder Serien empfand ich ansprechender als meine eigene, realistische Welt. Sie boten nicht nur Abwechselung und Abenteuer und die Verwirklichung des Unmöglichen, sondern auch ein geordnetes Chaos, in dem jeder seinen Platz hatte.

  Jede Figur in einer Geschichte hatte seinen Sinn. Im realen Leben gab es diesen Sinn nicht. Wie der Existentialist sagen würde: Wir wurden zur Freiheit verurteilt. Und während wir versuchen, dem Sinn gerecht zu werden, den wir uns selbst geben, tut die Welt alles, um uns aufzuhalten.

 

Diesen Widerstand gab es in der Traumwelt nicht. Wenn ich in meinen Gedanken Rolle um Rolle spielte, kam ich vielleicht sogar der Person näher, die ich in der realen Welt hätte sein können, hätte ich die Chance gehabt, selbst zu entscheiden, wer ich sein möchte.

 

Nach weiteren Versuchen, den Fäusten der Welt zu entkommen, hatten diese mich wieder zu Boden gebracht. Den Bruchteil einer Sekunde überlegte ich sogar, einfach liegenzubleiben. Es war so einfach. Und so befreiend. Süßer Schmerz befreite mich von den Verspannungen meiner Muskeln, ließ meine Lunge neue Luft schöpfen. Es könnte so einfach sein.

   Und doch sprang ich wieder auf.

 

Zu Träumen war eine schöne Art, seine Zeit zu verschwenden. Doch blieb sie trotzdem eine Zeitverschwendung. Wenn der Traum endete und ich in die reale Welt zurückkehrte, waren meine Hände leer.

   Manchmal muss man Unannehmlichkeiten in Kauf nehmen, um mehr Glück zu erreichen. Aber da war nicht nur die Schule, die meinem Glück im Weg stand. Da war weitaus mehr. Lustlosigkeit, Einsamkeit, Zweifel, Scheitern, Intoleranz anderer Menschen. Vor mir standen so viele Hürden, dass meine Beine vom Herüberspringen müde waren und der Gedanke, über die nächste Hürde springen zu müssen, eine Qual war.

 

Immer wieder trommelte der Hammer gegen meinen Körper. Schon lange lag ich am Boden, doch die Schläge hörten nicht auf. Ich hob meine Arme, um meinen Kopf vor den Schlägen zu schützen, zog meine Beine nah an mich heran. So zusammengekauert fühlte ich mich klitzeklein.

 

Nach Hilfe zu fragen, bedeutete schwach zu sein. Es war nicht nur die Welt, die mir zusetzte, sondern auch die Menschen, die mir Bein um Bein stellten. Sie hatten eine genaue Vorstellung davon, wie man zu sein hatte. Für diejenigen, die nicht ihren Vorstellungen entsprachen, hatten sie nichts als Missachtung übrig.

Ich wünschte, ich hätte schreien können. Aber am Boden liegend war mir immer noch so wichtig, was sie über mich dachten. Denn wenn ihnen nicht gefiel, wer ich war, dann würden sie mir den Rücken zukehren. Dann wäre ich vollends allein.

 

Ich hörte auf zu lesen und zu träumen und schaltete die Musik auf. Jetzt würde ich mich endlich fokussieren. Doch schon tauchte der erste Konflikt auf.

   Während meine Ziele darauf warteten, erreicht zu werden, stellte sich das Wissen, morgen einen Test zu schreiben, zwischen ihnen und mir. Ich dachte zu wissen, was zu tun sei.

   Es war keine Motivation, die mich zum Lernen brachte, sondern reines Pflichtbewusstsein. Meine Gedanken waren ganz woanders und so bekam ich wohl gar nicht mit, was ich mir einzuprägen versuchte. Trotzdem legte ich den Stift nicht nieder, sondern erfüllte weiter meine Pflicht.

 

Zwischen all den Schlägen wusste ich, dass ich nicht mehr weiterkämpfen konnte. Mein Stolz war gebrochen und so flehte ich das Publikum an, mir zu helfen. Was ich auch erwartet hatte, was sie tun würden, es passierte nicht. Denn sie taten rein gar nichts. Auch als ich lauter schrie, schauten sie nicht einmal zu mir her.

   Während ich noch auf dem Boden lag, wurde die nächste Runde angepfiffen. Doch ich schaffte es nicht einmal mehr aufzustehen. Ich war dabei, den Kampf zu verlieren.

   Erst jetzt wurde das Publikum auf mich aufmerksam. Als ich sah, wie sie mich anschauten, dachte ich erleichtert, dass ich gerettet werden würde. Es war eine Erleichterung, die der Erlösung des Schmerzes vieler Jahre entsprang.

   Auch diese Hoffnung auf Rettung entpuppte sich als pure Enttäuschung. Keiner von ihnen kam mir zu Hilfe. Sie zeigten bloß mit ihren Fingern auf mich und verlangten, dass ich weiterkämpfte.

   Sie genossen es, mich einen „Schwächling“ und einen „Nichtsnutz“ zu schimpfen, denn so hatten sie endlich jemanden, auf den sie herabsehen konnten, um sich selbst größer und stärker zu fühlen. Es ging auf meine Kosten. Und dass ihnen das egal war, verletzte mich am meisten.

 

Wenn ich den Stift erst abgelegt hatte, dann würde ich ihn wohl nicht wieder aufnehmen. Doch auch wenn es so aussah, als würde ich den Stift fest umklammern, so umklammerte ich eher den Versuch, meine Konzentration beim Lernen nicht zu verlieren.

 

Da leuchtete auch schon das Display meines Handys auf und wollte sie mir nehmen.

 

„Gibst du auf?“, fragte der Schiedsrichter mit herablassender Stimme.

 

Tatsächlich entschied ich mich dafür, das Handy in die Hand zu nehmen. Aber ich schaute nicht nach, was das Display zum Leuchten gebracht hatte, sondern legte es stattdessen einige Meter von mir entfernt ins Regal, um es nicht ansehen zu müssen. Dann setzte ich mich wieder hinter den Schreibtisch und vertiefte mich in die Thematik für den Test. Den Stift hatte ich nie abgelegt.

 

Ich stellte mir vor, wie die Welt sich mit gierigen Händen auf mich stürzen würde. Doch während ich dem Versuch erlag, aufzustehen, hatte sich die Welt nicht gerührt.

   „Worauf wartest du noch“, schrie ich sie vorwurfsvoll an. Während ich Hohn, Demütigung und Verachtung erwartete, bekam ich nur die besorgte Stimme der Welt zu hören, wie sie sagte: „Darauf, dass du

bereit bist.“

 

Die Lust zu schreiben war groß, unterlag aber noch immer der Angst, nicht genug für den morgigen Test vorbereitet zu sein. Dennoch versprach ich mir, nach 10 Minuten den Stift beiseite zu legen.

   Ob aus 10 Minuten 15 wurden, war egal. Ich schnappte mir wieder den Laptop und klappte ihn auf. Als ich zu tippen begann, erstaunte es mich, wie leicht sich die Worte und Gedanken zu Sätze formen ließen. In den Worten fand ich die Geborgenheit, die ich in der Welt vermisste.

 

Was ich schrieb, empfand ich nach. Schon bald fühlte ich mich wie einen Teil der Geschichte, als würde ich sie selbst durchleben. Die Grenzen zwischen Realität und Traumwelt verschwammen und die Traumwelt glitt in die reale Welt hinüber. Sie wurde ein Teil meiner Realität. Und vielleicht war das Schreiben meine Art, meinen Traum leben zu können.

 

„Ich kann nicht mehr kämpfen.“ Mein Blick war auf den Boden gerichtet, damit niemand meine Tränen sah, damit niemand über mich lachen konnte. Nur schien das sinnlos zu sein, denn meine Verzweiflung hörte man meiner Stimme an, während mein Körper vor Schmerz pochte.

   Eine Hand tauchte vor meinen Augen auf und ich folgte mit Blicken verwirrt dem dazugehörigen Arm. Es war die Welt, die mir diese Hand reichte.

 

Zwischen Verwirrung und Verzweiflung fand ich kaum noch Luft zum Atmen. „Wieso?“, presste ich weinend hervor und sackte noch tiefer in mich zusammen.

„Ich bin nichts weiter als dein Spiegelbild. Die Schläge, die du austeilst, bekommst du wieder zurück“, erklärte die Welt. „Ich bin nicht dein Feind. Du kämpfst gegen den falschen Gegner.“

 

„Warum bist du dann so grausam?“, erwiderte ich.

„Das Grausame an mir ist, dass ich bin, wie ich bin. Ich muss dir genügen, denn ich kann dir nicht geben, was du dir wünscht. Mehr als da sein, kann ich nicht tun. Und damit, mich zu verachten, wie ich bin, schadest du nur dir selbst. Erst wenn du mich akzeptierst, hast du genug Kraft, den wahren Gegnern entgegenzutreten. Träume nicht von einem Leben, das du niemals haben kannst, sondern baue dir ein Leben nach deinen Träumen auf.“

 

Dankbar nahm ich die Hand an und ließ mich von der Welt auf die Füße ziehen. Mein Leben lang hatte ich Angst gehabt, meine Zeit zu verschwenden oder das Falsche zu tun. Jetzt hatte ich es vielleicht endlich begriffen: Solange ich mich selbst verwirklichte, muss ich keine Angst davor haben, zu verlieren.

 

Punkt. Zufrieden klappte ich den Laptop zu.

 

 

Herzlichst, Lian Hoffmann

 

 

 

 

5. Rang mit 1017 Punkte

 

 

Yuanxin Lisa Zhang

 

Noch   sehr   jung,   doch   bereits  vielseitig  interessiert, schildert  Lisa   ihre   Wachträume.   Die  ebenso verführerischen   wie  viel-fältigen   Möglichkeiten,   die   auf junge   Menschen   einwirken,  versucht   sie   zu beschnuppern, ohne größere Ziele aus den Augen zu verlieren.   Ihre   offene   Art,  ihre   Empfindungen   zu beschrei-ben, lassen uns Leser erahnen, was aus einem ungeschliffenen Diamanten noch werden kann. Mit ihrem Beitrag ‚FINDEN‘, worin sie aufzeigt, mit welchen Hürden ihre Generation zu kämpfen hat, spricht Lisa bestimmt sehr vielen jungen Menschen aus dem Herzen.

 

 

Wettbewerbsnummer 037

 

 

FINDEN

(Urheberrechte & Copyrights by Yuanxin Lisa Zhang

 

Wenn ich sehr, sehr ehrlich bin, muss ich sagen, dass ich zunächst nicht vorhatte, diesen Text zu verfassen und an diesem Schreibwettbewerb teilzunehmen. Ich schreibe doch lieber Geschichten, sagte ich mir. Ausgedachte Geschichten, Fantasiewelten, Dramen. Doch irgendetwas hielt mich fest, brachte mich dazu, diese Seite zu speichern und schließlich immer wieder zurückzufinden. Hier bin ich also nun.

 

The earth says hello!

 

Obwohl…das ist auch eine Geschichte. Aber nicht wie all die anderen, Lisa! Das ist deine eigene.

   Meine eigene, ganz eigene Geschichte also.

Ich hatte schon ziemlich viele Träume und Zukunftsvorstellungen für mein Alter, denke ich. Denn ich weiß noch ganz genau, im Kindergarten waren diese Freundebücher total beliebt. Jeder hatte eins, und jeder sollte überall eintragen. In diesen Freundebüchern sollte man meistens ein eigenes Foto von sich einkleben und Fakten über sich aufschreiben lassen, und in fast jedem war diese Frage vorhanden:

   Was sind deine Wünsche und Träume?

Zuerst wollte ich immer „Frau Merkel“ werden. Sprich Bundeskanzlerin, weil ich sie mal im Fernsehen gesehen hatte und jemand mir erklärte, sie sei eine sehr wichtige Person. Später wollte ich total Unterschiedliches werden, Polizistin, weil ich mit Hunden zu tun haben wollte; dann Hundeausführerin, weil das noch mehr mit Hunden zu tun hatte. Nach meiner Hundephase wollte ich Turnierreiterin und Weltmeisterin im Pferderennen werden. Das sind alles eher Berufe, weil ich damals „Träume“ immer mit Berufen definiert und assoziiert habe, glaube ich. Jedenfalls habe ich es irgendwann auch gecheckt.

 

   Ich wollte nun einen Privatzoo besitzen (ich habe nachgeschaut). Das hielt sogar relativ lange an, bis ich aufs Gymnasium kam: Die Schule und viele andere, neue Situationen drängelten sich immer mehr in meine Zeit und wirklich Zeit damit verbracht, über meine Zukunftsträume nachzudenken, habe ich nicht. Doch trotzdem, langsam und im tiefsten Unterbewusstsein, schlich sich ein immer immenser werdender, fantasievoller, unrealistischer Traum ein…

 

Ich möchte auf die Harvard University gehen, um eines Tages mit Freunden ein eigenes großes Unternehmen gründen zu können. Am liebsten ein IT-Unternehmen, ich möchte etwas entwickeln, das Menschen hilft und den Alltag schöner macht. Mit dem Gewinn möchte ich auf jeden Fall Menschen helfen und fördern. Ich müsste mich davor viel informieren, da ich weiß, dass Super-Philanthropie auch in vielen Bereichen schaden kann, doch ich bin mir sicher, dass ich einen Weg finde, um zu helfen und Ungerechtigkeit zumindest ein wenig zu verringern.

 

   Die Welt ist nämlich noch lange nicht gerecht. Minderheiten werden diskriminiert, globale Disparitäten vergrößern sich. Während Menschen hart und verzweifelt gegen den Klimawandel ankämpfen, verleugnen andere die größte, nur sehr leise Krise und nehmen die Natur, Mutter Erde nicht ernst. Manchmal frage ich mich, ob sie es nicht nur deshalb verleugnen, da sie es nicht wahrhaben können. Dabei müssen wir es doch gemeinsam schaffen!

   Ich möchte lernen für Menschen zu reden, mich einzusetzen, aufzustehen für diese Ungerechtigkeit!

 

Wenn das Unternehmen stabil läuft und ich mich dazu bereit fühle, möchte ich eine Familie gründen. Ich möchte jemanden finden, der mich so akzeptiert wie ich bin, aber auch nicht passiv ist. Jemanden, der viel Humor hat und mit dem es nie unangenehm oder langweilig wird. Für die Kinder würde ich mir so viel Zeit wie nur möglich nehmen, auf keinen Fall möchte ich ihnen klischeehaft eine Kindheit voller Babysitter, Kindermädchen und teuren Geschenken geben. Wenn es geht, möchte ich auch gerne viel reisen und so viel wie möglich von der riesigen und doch so kleinen Welt sehen. Besonders einen Vulkan, am besten einen aktiven:  Die gewaltige Kraft der Natur einmal hautnah zu spüren, wie sie einem zuflüstert, das Geheimnis über das Sein und das Nicht-Sein erzählt, und wie sie dann austobt, brüllt, beweist, wie winzig klein und schwach wir Menschen doch eigentlich sind, wäre der Wahnsinn.

 

Nebenbei möchte ich, wann immer ich Zeit auftreiben kann und mich dazu bereit fühle, auf jeden Fall auch eines tun: Bücher schreiben. Bücher, um Menschen zu unterhalten, erzählen, motivieren. Gute Bücher haben nämlich eine gewaltige Kraft. Als ich fröhlich war, haben sie mich noch fröhlicher gemacht. Als ich traurig war, haben sie mich ermuntert. Als ich gedemütigt wurde, haben sie mir Kraft gegeben, mir einen Weg gewiesen. Und als ich im gigantischen Meer der Selbstzweifel beinahe hoffnungslos ertrank, halfen sie mir wieder, die Bücher, teilweise auch in digitaler Form aus Plattformen, von jungen Autoren selbst frei verfasst, die mir zeigten, dass ich nicht die einzige war und meine Reise weitergeht. Wenn ich diese Bücher eines Tages auch erschaffen könnte, wäre ich wirklich sehr glücklich.

   Im Ruhestand möchte ich eine coole Oma sein. Ich würde die Firma an vertrauenswürdige Personen abgeben und weiter Bücher schreiben. Ich möchte mich auch viel informieren, über neue Technologien, über die neue Welt. Denn bevor ich weg bin, will ich mir ausmalen können, wie die Welt danach aussehen würde.

 

Wie sähe der Alltag aus? Was für neue Herausforderungen werden die Menschheit auf Probe stellen? Wie werden die Menschen diese Aufgaben bezwingen?

 

  Doch bleiben wir im Hier und Jetzt, zuerst die aktuellen Herausforderungen, die aktuellen Probleme und das aktuelle Leben, meine aktuellen Ziele, Wünsche und Träume.

 

   Wie soll ich eigentlich anfangen? Der erste Schritt wird wohl sein, eine gute Einstellung zu entwickeln, einen ebenso guten Charakter und gut in der Schule zu bleiben. Gut. Klingt einfach.

 

   Nun ja…, was einfach scheint, ist nie einfach.

 

Es kann auch eigentlich überhaupt nicht einfach sein, wenn ich gerade logisch nachdenke: Eine gute Einstellung kann man nicht erlernen. Sie kommt und verändert sich mit den Situationen, die man erlebt. Doch vielleicht kann man diese Situationen bestimmen: Verschiedene Menschen treffen, Informationen aufnehmen und verschiedene Ansichten anhören, während man einen klaren Kopf behält und eigene Meinungen der natürlichen Vernunft bildet.

 

   Einen guten Charakter zu entwickeln ist meiner Meinung nach noch schwieriger: Der Charakter entfaltet sich noch natürlicher und wird oft teils vererbt. Hier kommt es wirklich auf die Menschen im Umfeld an, die einen beeinflussen und Situationen, die einen prägen. Diese Situationen und Menschen kann man sich meistens nicht aussuchen. Doch trotzdem wird die Vernunft die falschen Menschen herauspicken und einem selbst zeigen, was man von ihnen halten sollte, denke ich… na gut, und hoffe ich.

 

   Ich denke so viel. Was ist, wenn ich bereits falsch denke und meine Einstellung bereits relativ extrem ist, sprich in die falsche Richtung geht?

 

Was dann?

 

Dann?                                                         

 

Gibt es Schicksal? Das Schicksal entscheidet wohl. Das kann auch nur zu meiner Einstellung gehören, aber wo entscheidet das Schicksal bitte nicht?

 

   Manchmal glaube ich, dass es Parallelwelten für jede einzelne kleine Entscheidung gibt, jede winzige Bewegung existiert in einer Parallelwelt anders. Das ist dann wohl, wo das Schicksal nicht entscheidet. Bei der Unendlichkeit. Diese Unendlichkeit eines Tages zu spüren, auf welche Weise auch immer, wäre auch wunderschön. Aber vielleicht auch nur, weil man wieder in die Endlichkeit zurückkehrt.

 

Der dritte Schritt vorerst wäre die Schule. Aber das kommt meiner Meinung auf Ehrgeiz und Motivation an. 

   Ich lese und höre immer wieder, wie viel man außerhalb dieser drei genannten Qualitäten noch besitzen muss, um wirklich auf eine Elite-Uni wie Harvard zu kommen. Außerschulische besondere Leistungen wie Wettbewerbe, Wohltätigkeit, Jobs, Sport. Allerdings denke ich nicht, dass ich den Menschen gehöre, die sich durch Wettbewerbe hochhieven. Ich meine, ich mag Wettbewerbe und das gegenseitige Trainieren durch steinharte Konkurrenzschaft, an der Spitze bin ich auch gerne, aber leider nicht oft, besonders bei hoch begabungsfördernden Wettbewerben mit sehr zukunftsrelevanten Themen wie die Mathe- Olympiade. Ich gebe eben mein Bestes. Wohltätigkeit ist auch eine Sache, bei der ich mich mehr engagieren möchte. Aber das möchte ich nicht aufgrund der Universität und des Lebenslaufes, sondern eher, weil ich mich einfach gut fühle, wenn ich etwas für das Allgemeinwohl tue.

  Besonders bei den besonderen Leistungen fällt es mir also besonders schwer, besonders hervorzustechen. Ich bin also nicht auf diese Weise besonders. Trotzdem denke ich, dass jeder seinen eigenen Weg geht und es auf seinem eigenen Weg schafft. Hoffentlich finde ich ebenfalls meinen Weg und schaffe es auf meine eigene Weise, wenn nicht, war unser bekannter Freund Schicksal eben schlecht gelaunt.

   Vielleicht ist Harvard zu hochgegriffen? Ich weiß nicht. Ich weiß aber, dass mich etwas da hinzieht, es will mich hinreißen, vielleicht sind es die Menschen, die Umgebung, die Medien, die einen beeinflussen. Oder die Herausforderung, es zu schaffen, indem man sich anstrengt.

 

Ob ich ein klischeehaftes Wunschbild habe und es auch das ist, was mich hinzieht? Wahrscheinlich schon, ich stelle es mir schön dort vor: schöne Gebäude und Campus, interessante Vorlesungen mit guten Professoren und eine Zeit voller Ehrgeiz, Mühe, Freundschaft, Spaß und Ergebnis, Erfahrung und (hoffentlich) Erfolg. Ich habe in genug Videos und Berichten gehört, dass es oft nicht dem Wunschbild entsprechen wird, doch meiner Meinung nach entspricht fast nie etwas komplett dem Wunschbild: Man kann nie wissen, was wirklich auf einen zukommt. Doch es ist auch das Wunschbild, das uns motiviert, Mut gibt, Neues auszuprobieren.

 

Danke also, Gott, dass es dieses Wunschbild überhaupt gibt, hehe.

Für das Wissen im IT- und Businessbereich versuche ich, mich in den Bereichen immer ein wenig mehr als in anderen Bereichen zu informieren. Na gut, Betonung auf Versuchen. In Programmier-workshops oder Tutorials komme ich gut rein, vielleicht auch, weil es mich einfach interessiert, aber so viel ich mich im PGW(Politik-Gesellschaft-WIRTSCHAFT)-Unterricht auch anstrenge, der Lehrer könnte auch versuchen, einer Ameise Japanisch beizubringen. Es ist komisch, dass ich mich eigentlich sehr dafür interessiere, aber im Unterricht selbst ich irgendwie nur einschlafen kann (Na ja, eigentlich nur einmal wirklich, aber das ist eine etwas andere Geschichte).

 

Liegt es am Lehrer, am Unterrichtsinhalt, an der Unterrichtsmethode, am gesamten Schulsystem?

 

   Oder brauche ich einfach nur ein wenig mehr Zeit? 

 

Ach, wie ich es hasse, „ich weiß es nicht“ zu gestehen. Doch vielleicht liegt es an beidem. Vielleicht erfahre ich es ja irgendwann, wenn mein Gehirn einen schönen Tag hat und mir es gönnt. Durch eigene Recherche und eigenes Bilden durch interessante Artikel bilde ich mich immerhin auch gerne ein wenig in dem Bereich.

 

Ein großes Problem meines Traums könnten meine Zweifel sein. Ich habe schon immer an vielem gezweifelt, vor allem aber an mir selbst, weil ich dachte, so könnte ich bereit für neues sein oder so. Das hatte kein gutes Ergebnis, denn es führte zu einer permanenten Unsicherheit, bis ich endlich realisiert habe, wie bescheuert das war. Zum Beispiel zweifle ich jetzt daran, ob das a) irgendwer überhaupt spannend findet, wie ich über mich selbst labere und b) ob ich nicht schrecklich komisch und übermütig und vielleicht auch ein wenig abgehoben mit diesem unrealistisch scheinendem Traum rüberkomme.

 

Doch zum Glück rettet mich meine sich zwar noch fleißig bildende, aber bereits kleine Philosophien festsetzende Einstellung, hehe:

        1.   Es muss ja irgendwie spannend sein, in die Träume, Wünsche und Lebensvorstellungen kleiner Menschen reinzu-schauen, sonst gäbe es diesen Wettbewerb nicht. Es sei denn, ich hätte das gesamte Konzept missverstanden. Oh. Ich hoffe nicht.

 

     2. Man sollte immer an sich selbst glauben! Diese Wünsche gehören allein einem selbst! Und was andere Menschen denken, ist nicht wichtiger als das, was man selbst denkt. Man selbst spielt die Hauptrolle im eigenen Film, der eigenen Geschichte. Nichts ist unmöglich, solange man fest daran glaubt, niemals aufgibt und dafür kämpft!

Ein weiteres großes Problem, verbunden mit dem Selbstzweifel, ist mein oft fehlender Mut.

 

Letztens steigen beispielsweise die Fälle anti-asiatischen Rassismus extrem an, viele Mitmenschen sind betroffen, und nachdem ich selbst recherchiert habe, ist mir erst wirklich aufgefallen, wie sehr ich ebenfalls selbst davon betroffen bin (meine Eltern stammen aus China). Rassismus gehört(e) für mich nämlich bereits zum Alltag, sodass ich mich im frühen Alter daran gewöhnte. Bei der Recherche fühlte ich mich unfassbar leer und wollte beim Realisieren dessen am liebsten heulen, als ich auch noch die unmenschlichen Angriffe auf die Brüder und Schwestern sah, wurde mir fast übel. Eine weitere Minderheit-Community wird also angegriffen, wo mich der vorherige größere auf die dunkelhäutige bereits so unglaublich schockiert hat.

 

Ich dachte mir also sofort, dass etwas getan werden müsse. Ich habe nämlich erkannt, dass die Menschen, die mich Rassismus vielleicht ungewollt, aber hautnah spüren lassen haben, teilweise aus meinem eigenen engen Freundeskreis kamen. So vieles wollte ich ihnen sagen! Dass es nicht fair war und ist, meine eigene gute Note nicht mit Arbeit und Anstrengung, sondern mit meiner asiatischen Herkunft zu begründen! Dass es nicht fair war und ist, mich beim Theaterstück die Böse spielen zu lassen, weil ich schwarze Haare und „komische“ Augen habe!! Dass es verdammt nochmal nicht fair war und ist, sich über chinesische Wörter und Laute lustig zu machen und einen aufgrund der Herkunft und des Aussehens fertigzumachen!!!

 

Doch ich tat es nicht.

 

Ich traute mich nicht.

 

Allerdings hilft es nicht, mich darüber zu ärgern und es zu bereuen, ich kann es einfach nicht. Daher steigt auch meine Angst, dass Menschen in einem sensiblen Moment kommen und mir erklären, Harvard sei ein Klischee und alle Asiaten wollten aufs Harvard, weil sie so seien, und du, du kleines Ding, schaffst es gewiss nicht und wenn, dann bist du nur eine von den ganzen Mitläufern, deren Eltern sie zwingen und foltern und essen und was weiß ich. Diese Menschen sind hoffentlich ein Test Gottes, doch sie sind auch ein Fluch. Vielleicht ist das auch ein großer Grund, weshalb ich lernen möchte zu reden, mich für Menschen und vor allem mich selbst einzusetzen.

 

Aber ich bin ja nicht einmal erwachsen, also bleibt mir noch Zeit zum Entwickeln.

 

   Und beim Schreiben bemerke ich gerade ganz nebenbei, sachte, dass mein eigentlicher Traum ist, ein guter, sinnvoller und schöner Mensch zu werden.

 

Menschen Dinge klar machen zu können.

 

Menschen neuen Mut geben zu können.

  

Menschen zu inspirieren, einen Weg zu weisen, ihnen zu helfen, die beste Version von sich selbst zu werden. Das wäre schön. Aber dafür muss man auch einen langen Weg gehen und die eigene beste Version werden, glaube ich. Mann, bin ich heute philosophisch! Und auf dieser Reise muss man selbst Mut haben, selbst klar im Kopf sein, selbst inspiriert werden. Denn die Zukunft ist unbestimmt, ständige Innovationen und neue Technologien werden uns begleiten. Immer mehr Möglichkeiten kommen auf unsere Generation zu, aber gleichzeitig auch immer mehr Druck. Wir schaffen das!

 

Im Großen und Ganzen beschreibt dieser Text also meine erhoffte Reise zu mir selbst. Den inneren Frieden zu spüren und mir klar zu sein, dass ich ein schönes Leben geführt hatte. Diese lange Reise wird voller Höhen und Tiefen sein, voller Probleme, Heraus-forderungen, aber auch Freude und Erfahrung, Erfolg, und das Ergebnis.

 

Dieses immer noch Gott bestimmt.

 

Ich habe mir noch einmal den gesamten obigen Text durchgelesen. Gedanken sind wirklich interessant, ich bin von Freundebüchern auf den Sinn des Lebens gekommen, lol. Mit diesen festgehaltenen Gedanken offenbare ich viele Teile meines Selbst, die Gedanken sind roh, sehr offen, sensibel. Sie zeigen nicht, wie ich mich öffentlich zeige, sondern zeigen wirklich mein wahres, inneres Ich: besonderer Humor; teils philosophisch; nach außen hin eigentlich selbstbewusst, aber innerlich wirklich sensibel; selbstzweifelhaft; ängstlich; aber eben auch hoffnungsvoll; zuversichtlich; bewusst; widersprüchlich;). Daher hoffe ich, dass es respektiert wird und keine Vorurteile aufgebaut werden. Obwohl das ja oft automatisch geschieht, aber nur dass ihr wisst. Ich glaube, ich bin sogar so widersprüchlich, dass wenn ihr eines Tages auf mich trefft, niemals den Gedanken bekommen würdet, dass das meine Gedanken gewesen wären, xD.

 

Die letzten Tage, wo ich diesen Gedanken festgehalten habe, habe ich tatsächlich mehr über meine Träume nachgedacht. Daher habe ich den Text immer wieder umgeändert, sowie ich meine Träume ein wenig umgeformt und ergänzt habe, sowie ich es auch jederzeit umändern würde, wäre die Eingabefrist später. Ich konnte meinen Kopf und meine Ideen ein wenig sortieren und kann jetzt beim Aufnehmen von Information einen Ordner(zur Aufbewahrung von Ideen und Inspirationen Thema Zukunftsträume; Gehirnsektion 3; Gehirnspalte 7) mehr bereithalten. Daher also danke an die Veranstalter des Wettbewerbs und Entscheider des Titels!

   Ich danke auch jeder und jedem von ganzem Herzen, die oder der bis hier hin gelesen hat. Vielleicht war es doch ein bisschen interessant, was für wirre Dinge in meinem Kopf abgehen?

   Man ist nie zu alt zum Träumen. Mögen eure sehnlichsten Träume ebenfalls in Erfüllung gehen!

 

 

ENDE