Der offizielle Schreibwettbewerb

für das I. Semester 2021

 

A) ENTFÜHRUNG                        B) BEOBACHTUNG

 

 

Die Bewertungen wurden am 15. Juli um 24:00 Uhr beendet. Drei Gewinner wurden durch spannendes Abstimmen auserkoren. Doch halten wir klar fest, es gab weit mehr als nur drei Sieger-Beiträge!

 

Interessentinnen & Interessenten (ausschliesslich TeilnehmerInnen dieses Wettbewerbs), dürfen den persönlichen Schlussrang ihrer Arbeit bei uns erfragen.

 

Wir danken allen Teilnehmerinnen und Teilnehmern herzlich fürs Mitmachen und würden uns sehr freuen, wenn Sie beim Wettbewerb für das II. Semester 2021 wieder mit dabei sind.

 

Vielleicht gefällt Ihnen das neue Thema wiederum und spornt Sie zu einem Wahnsinns-Knüller an! Gucken Sie einfach einmal herein bei AKTUELLES, Link Wettbewerb II. Semester 2021.

 

Ein Sieger und zwei

 

Siegerinnen stellen sich vor

 

 

Im 1. Rang und Gewinner von 200 Euro

 

 

Dirk Tilsner

 

 

Jahrgang '66, kommt eigentlich aus Luckenwalde. Irgendwann jedoch trieb in das Fernweh nach Portugal, wo er nun bereits seit über 25 Jahren mit seiner Familie lebt. Er schreibt schon recht lange, vorrangig Lyrik, aber auch Kurzerzähl-ungen, mit einer gewissen Vorliebe für Humor und Satire. Natürlich liebt er science fiction und hätte eigentlich nichts gegen eine nette Entführung. Solange die Gastgeber ihn dann lesen und die Kekse schmecken!

 

Sehr geehrter Dirk,

 

Sie haben mit Ihrer Geschichte DER AUFTRAG nicht nur unsere Leserinnen und Leser überzeugt, sondern auch die fachkundigen und kritischen Literatur Experten. Wir freuen uns, Ihre gute Story erneut hier posten zu dürfen, damit diese weltweit genossen werden darf.

 

 

Der Auftrag

 

(Urheberrechte & Copyrights © by Dirk Tilsner)

 

Krzatsch starrte in Gedanken versunken auf die Instrumente seines Cockpits. Bis zur Landung blieb ihm wenig Zeit, wobei er noch keinerlei Plan für die Ausführung seines Auftrages hatte. Eigentlich gab es an diesem nichts Außergewöhnliches: eine Reise von zwölf Gronzk-Perioden zu einem fremden Sonnensystem und Planeten, die Auswahl und Entnahme brauchbarer Probanden,  ihre artgerechte Beförderung und bei der Rückankunft die Übergabe ans Labor. Danach standen ihm zwölf Perioden Urlaub zu.

Standardregelungen für einen Kollektor. Doch dieses Mal war er nur widerwillig in seinen Raumgleiter gestiegen, denn er hätte viel lieber seine Ur-Ur-Urgroßmutter Zltunkarhgfara zum Geburtstag besucht. Nicht allein um ihr eine Freude zu bereiten. Ihre Pfofferonnischen Plätzchen, die besten im  gesamten Raumsektor, backte sie alleinig an ihrem Ehrentag und für den nächsten würde Krzatsch weitere 42 Perioden warten müssen.

Obendrein war die Mission nicht unbedingt verlockend. Der Zielplanet lag in einem unbedeutenden Nebenarm der Galaxis und beheimatete belanglose Lebensformen, die hauptsächlich aus Trivialelementen wie Sauerstoff, Kohlenstoff und Wasserstoff bestanden. Nichts Überraschendes; die Biologie des Planeten wies starke Ähnlichkeiten mit mehr als der Hälfte der bis dato bekannten Welten auf. Das bezog sich ebenso auf die Geschöpfe, die sich dort als intelligentere Spezies etabliert hatten. Dem gegenwärtigen Stand der Erkenntnisse nach zu urteilen waren sie eher mittelmäßige Ingenieure, die bei jedem Besuch eines Nachbarplaneten vor Freude außer sich gerieten. Unbemannte Expeditionen wohlgemerkt. Einfach lächerlich. Sie hatten keinen blassen Schimmer von den Blrurgtapafurdischen Grundgesetzen. Weitaus bedenklicher: manche ihrer Wissenschaftler fabulierten öffentlich über die Möglichkeit intergalaktischer Reisen durch Wurmlöcher. Wo jedes Kind auf Trongus wusste, dass diese primitive Art des Schnelltransports zu schwersten Migräneattacken führt, die erst nach Dutzenden von Perioden wieder abflauen. Es musste Generationen dauern, bis dieses bedauernswerte Geschlecht herausfinden würde, wie man sich mit hundertfacher Lichtgeschwindigkeit durchs All bewegen kann, ohne dabei gleich Kopfschmerzen zu bekommen. Ganz zu schweigen vom Bau eines Raumschiffs mit quantokrontomatischem Antrieb.

Natürlich waren die Menschen, wie sie sich selbst nannten, gerade ihrer Naivität wegen beliebte Versuchssubjekte. Sie wussten nichts vom Cygnischen Rat und würden sich folgerichtig niemals über die Unannehmlichkeiten ihrer Laboraufenthalte beschweren. Obgleich es dazu kaum Anlass gäbe. Sie wurden wie alle Probanden stets unter Bedingungen aufbewahrt, die dem natürlichen Lebensraum auf dem Heimatplaneten, bei ihnen Terra, so nahe wie möglich kamen. Dies führte schnell zu kuriosen Missverständnissen ihrerseits. Die Trottel ahnten nicht, dass sie sich auf einem der sieben Monde von Trongus befanden, 85 Lichtjahre von ihrem Zuhause entfernt. Dementsprechend verliefen die Experimente in der Regel enttäuschend. Beim letzten zum Beispiel hatte man dem Labor einen vollgestopften Reisebus übergeben. Man setzte die Insassen auf einer künstlichen Insel aus, die ihnen jeden erdenklichen touristischen Komfort bot. Man wollte damit untersuchen, inwieweit sich das Ausbleiben jedweder negativen Stimuli auf die kollektive Harmonie auswirken würde. Komischerweise trat das Gegenteil ein: während ein  Teil von ihnen darauf beharrte, einen Urlaub in den Bergen gebucht zu haben und deshalb ein Entschädigungsgesuch beim Reiseleiter einreichen wollte, streiften andere kreuz und quer über die Insel, um „das Kamera-Team“ zu finden. Jeder wollte als Überlebender in die zweite Runde, obgleich es an Getränken und lukullischen Kostbarkeiten in keinerlei Hinsicht mangelte. Am Ende musste das gesamte Experiment abgebrochen werden, da ein dritter Teil davon besessen war, ein Floss zu bauen, um damit weitere, noch schönere Inseln zu finden. Bei diesem Vorhaben holzten sie in kürzester Zeit flächendeckend die synthetisierten Palmenhaine ab, weit über den Bedarf für ein einzelnes Floss hinaus. An diesem Punkt gab das Laborteam auf. Die Anfertigung neuer Inseln wäre zu kostspielig gewesen, so dass man die Erdlinge samt Reisebus wieder auf Terra aussetzte, am Ort ihrer Entnahme und nicht ohne die übliche Tilgung der Erinnerungen an den Laboraufenthalt. 

Krzatsch dachte wehmütig an  Zltunkarhgfara und ihre Plätzchen. Das Rezept war ein streng behütetes Geheimnis der Familie. Seiner Ur-Ur-Urgroßmutter wurde es vor langer Zeit von ihrer eigenen Ur-Ur-Ur-Urgroßmutter übertragen. Sicherlich gab es eine ganze Reihe im interplanetarischen Umlauf, aber sie alle ergaben nichts als völlig normale Kekse, wie man sie sich von jedem beliebigen Stellar-Versand zufliegen lassen konnte.  Zltunkarhgfaras Plätzchen hingegen waren unvergleichbar. In Erwartung ihres Geburtstages reiste sie drei Perioden lang durch die benachbarten Planetensysteme, um die Original-Zutaten zu besorgen. Krzatsch kannte bloß einige wenige: Kroften aus den tangalanischen Wäldern von Zwomm, geraspelte Braspgen von Eudalon und Qwispen-Kraut von den ewig beschienenen Feldern von Sutj, dem System der drei Sonnen. Alles Weitere stand in den Quasaren bzw. hinter den verriegelten Türen der Backküche von Zltunkarhgfara. Wie dem auch sei, der Verzehr der Pfofferonnischen Plätzchen war ein kosmischer Genuss. „Zum Warzen-Platzen“ schmeichelte er gern der von ihm verehrten Bäckerin, aber selbst dieser Vergleich war gelinde gegrunzt untertrieben.

Welchem Zweck dienten die Experimente mit diesen Nachzüglern galaktischer Entwicklung? Die Protuberanz auf Krzatschs Schädel fluoreszierte bereits vor lauter Verdruss. Schuld an allem hatten die schleimlosen Tumben aus dem Labor. „Progressive Zivilisations-Formung“ nannten sie ihr hehres Ziel. Jede Hochkultur von der man sich erhoffte, sie irgendwann in den Cygnischen Bund aufnehmen zu können, musste sich solch einem Generationen währenden Prozess unterziehen. In der ersten Phase als Forschungsobjekt, ohne dass die betroffene Welt davon Kenntnis nehmen durfte. Das traf auf die Terraner zu. Leider vermochten diese bislang nur die leichtesten Aufgaben zu lösen. An komplexeren jedoch, welche die telepathische Synchronisation aller Beteiligten erforderten, scheiterten sie vollkommen. Die Erdlinge besaßen keinerlei Begabung für Techniken, welche für die Herausbildung des organisatorischen Geflechts höherer Zivilisationen unabdinglich waren. Am Ende, grübelte Krzatsch, ging es wahrscheinlich um Kostensenkung. Ihr Planet gehörte zu den am nächsten liegenden Sonnensystemen.

Er könnte die Sache gewiss schnell und problemlos hinter sich bringen. Wie man aus den letzten Versuchen schließen konnte, gingen die Menschen koordinierten Tätigkeiten nach, für die sie ein ausgesprochen variiertes Vokabular gebrauchten: meine Arbeit, Scheiß Job, Tretmühle, Karriere usw. Krzatsch sollte gerade solch eine kooperierende Gruppe finden, um die Erfolgsaussichten der Experimente zu erhöhen. Er gab keinen Schleimklumpen darauf, aber andererseits, erwog er, würde jede Art von Teilerfolg als Sensation bewertet werden, was unweigerlich neue Missionen zur Erde zur Folge hätte. – NEIN! Er wollte sich auf subtile Weise für den Verlust des Pfofferonnischen Hochgenusses rächen und dafür sorgen, dass die Probanden unfähig wären, sogar die einfachsten Aufgaben selbstständig zu bewältigen. Scheinbar normale Exemplare, die sich dennoch als absolut untauglich erwiesen!

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In der verbleibenden Zeit bis zur Landung befasste sich Krzatsch mit der Sprache der Erdbewohner; genau genommen mit der Reisebus-Gruppe. Bei entsprechender Konzentration  übersetzte ihm der diktionäre Hirnschwamm-Resonator, kurz Dolmatsch, mehrere tausend Begriffe und grammatikalische Strukturen ihrer Sprache ins Trongische und umgekehrt. Deshalb hatte man ihm auch das Zielgebiet vorgegeben, denn für eine sorgfältige Auswahl geeigneter Versuchssubjekte sollte ein gewisser Grad an Verständigung durchaus von Vorteil sein. Der Dolmatsch konnte sogar mit lokal besonders typischen Redewendungen Hilfestellung bieten. „Ich bin ein Berliner“, murmelte Krzatsch eine der Floskeln für jede Gelegenheit.

Er landete mit seiner Erkundungskapsel in der Morgendämmerung in einem spärlich beleuchteten Gelände und bereitete sich unverzüglich auf die erste Exkursion vor. Seinen Tarnanzug hatte man bereits auf Trongus maßgeschneidert. Immerhin sollte er sich in der Fremde frei bewegen können, ohne dabei aufzufallen. Sein Mantel bedeckte ihn von den Schultern bis auf den Boden und somit seine drei Beine. Die Handschuhe täuschten einen fünften Finger vor, ein tief sitzender Hut verbarg die Protuberanz, während eine Sonnenbrille und ein riesiger grauer Bart nichts von der blauen Haut seines Antlitzes preisgaben.

Er wandelte einen vollen Tag durch die Straßen der Stadt. Sein unmittelbarer Eindruck entsprach dem einer „chaotischen Ordnung“. Die meisten Menschen hasteten in dicht gedrängten Massen wie ferngesteuert an ihm vorbei. Gewiss folgte jeder zielstrebig seiner individuellen Aufgabe, vermutete er. Das spräche für das Lager der Optimisten in den Labors auf Trongus. Dagegen war ersichtlich, dass die Terraner unablässig kommunizierten. Sie hielten sich kleine Kästchen ans Ohr und parlierten dabei, offensichtlich über eine Art von Funknetz, wie Krzatsch sie aus der Vorgeschichte seines Heimatplaneten kannte. Die Stetigkeit dieser Kommunikation indes befremdete ihn; er kannte keine Zivilisation deren Elemente sich ununterbrochen miteinander verständigen mussten, um erfolgreich zu kooperieren. Wahrscheinlich waren die Erdlinge besonders vergesslich, sodass man sie laufend an ihre Pflichten erinnern musste.

Demgegenüber erschienen sie ihm für soziale Wesen als relativ scheu. Wenn jemand seinen Weg kreuzte, machte jener in der Regel einen Bogen um ihn, offenbar mit der Absicht, ihm nicht zunahezukommen. Fühlten sie sich auf irgendeine Art bedroht? Eine Weile lang zweifelte Krzatsch, ob die Masken- und Kostümbildner auf Trongus wirklich gute Arbeit geleistet hätten. Hin und wieder jedoch bemerkte er einzelne Gestalten, welche ihm in Bekleidung und Aufmachung irgendwie ähnelten. Die meisten von ihnen hatten sich in Unterführungen oder windgeschützten Winkeln der Häuser niedergelassen, wo sie entweder meditierten oder schliefen. Ein anderes Mal streifte er an einer Brücke vorbei, unter deren Pfeilern sich eine kleinere Gruppe schweigend an einem Feuer wärmte. Krzatsch überlegte, ob sie vielleicht erste telepathische Versuche durchführten. Ihr Verhalten ließ jedenfalls auf Individualität und Naturverbundenheit schließen, womit sie ihn an die besonders romantischen Camper auf Trongus erinnerten.

Als Krzatsch abends in seiner Kapsel saß, grübelte er über einen geeigneten Plan nach. Er könnte wie seine Vorgänger wahllos eine Schar Tester in sein Raumschiff teleportieren  und davonfliegen. Die plötzliche Dematerialisierung sollte allerdings unbemerkt bleiben; die erste Regel, die er strikt einzuhalten hatte. Auf keinen Fall einen vollen Bus, das war die zweite. Eine „kooperierende Gruppe“. Selbstverständlich nicht wie auf Trongus: mehrmals pro Tag stimulierte das planetarische Integrationssystem den persönlichen hadronischen Oszillator, der jedem bei der Geburt im sekretorischen Hauptstrang eingepflanzt wurde, und schon sinnierte man als aktiviertes Knötchen im zerebralen Geflecht. Die Probleme wären viel zu komplex, um von einer kleineren Anzahl oder gar einem einzelnen Tronganer vollständig erfasst zu werden. Eigentlich erfuhr man nie, worum es in der Konferenz überhaupt ging. Dafür sorgte das System, welches die Hirne aller Beteiligten telepathisch verknüpfte und über dieses Netzwerk den kollektiven Denkprozess synchronisierte.  Somit trug jeder zur kreativen Entscheidungs-bildung mit bei. Am Ende der Sitzung bekam man dann seine individuellen Dienste zugeteilt, der beruflichen Qualifikation entsprechend, als persönlichen Beitrag zur Bewältigung der gesellschaftlichen Herausforderungen. Wie Krzatschs Einsatz, neue Probanden von der Erde heranzuschaffen.

Die Methoden der Menschen waren zweifelsohne erheblich primitiver. Sie diskutierten viel untereinander, wie die Versuche mit der Reisegruppe offenbarten. Nach einer getroffenen Entscheidung wurde jene anfangs gemeinschaftlich ausgeführt, bis nach kurzer Zeit jemand den Sinn von allem infrage zu stellen schien, was unweigerlich zu weiteren Diskussionen und Entschlüssen führte. Dieses ewige Hin und Her war wahrscheinlich eine der Ursachen für die suboptimale Ausnutzung der intellektuellen Kapazitäten und somit für die zögerliche Entwicklung der Spezies überhaupt. Um eine passende Gruppe für seine heimliche Vergeltung zu finden, bedachte Krzatsch, sollte er diese widernatürlichen Wesen näher kennenlernen. Er beschloss, ihre Fähigkeiten und Unfähigkeiten etwas genauer unter seine Facettenaugen zu nehmen.

Ein paar Tage lang studierte er die öffentlichen Medien. Der Überfluss an diesen war beeindruckend. Es gab sogar gedruckte, wie vor Hunderttausenden von Perioden auf seinem Heimatplaneten. Allmählich schwante ihm, warum die Laborexperimente daheim zum Scheitern verurteilt waren. Die Erdbewohner glichen zwar in grundlegenden Zügen seiner Rasse: Sie lebten in Familien, liebten ihre Kinder über alles und besuchten die Großmutter, Ur-Großmutter und mitunter eine Ur-Ur-Großmutter zum Geburtstag. Sie waren durchaus wissbegierig, aber nicht wie die Tronganer. Sie besaßen, Wissenschaftler ausgenommen, ein brennendes Interesse für Informationen, welche keinem erkennbaren Zweck dienten und deshalb ohnehin schnell wieder vergessen wurden. Streng genommen entbehrte der übergroße Anteil der angeblichen Neuigkeiten in den Medien jeglicher Bewandtnis für das Wohl der Terraner selbst. Zum Beispiel, ob irgendeine Person sich heimlich die Haare färbte oder gerade mit der Verdauung kämpfte.

Dann der Gewinn, augenscheinlich die große Triebkraft der Erdlinge. Der Begriff war im Dolmatsch nicht vorhanden und Krzatsch suchte eine Weile nach einer angemessenen Übersetzung. Er haderte zwischen „Kostenunterschuss“ und „ungenutzter Restbetrag“. Während man auf Trongus nämlich über jedes Vorhaben ausschließlich nach den Kriterien der Notwendigkeit und Nützlichkeit entschied und die Durchführung bis ins letzte Kontrolllämpchen plante, ging es auf der Erde in allem und immerfort um einen Gewinn. Sogenannte Firmen prahlten damit, unabhängig von der Qualität ihrer Produkte. Sogar der Gewinn musste von Jahr zu Jahr an sich selbst gewinnen. Das nannte man Wachstum. Gute Planung wiederum schien die Ausnahme zu sein; kaum ein Projekt, welches am Ende nicht das Doppelte kostete als am Anfang berechnet. In diesen Fällen gab es meistens jemanden, der trotzdem das Dreifache an Gewinn erzielte.

Schließlich die Politik. Jedes Land besaß so etwas wie einen Cygnischen Rat und eine Myriade an Unterabteilungen. Allerdings waren die Regierungen der Menschen nicht besonders engagiert, Probleme wirklich zu lösen. Man debattierte sie nur gern. Der mächtigste zum Beispiel, der UN-Sicherheitsrat, war mit dem Weltfrieden beauftragt. Wenn sich die Erdlinge irgendwo gegenseitig massakrierten (in der Regel ging es dabei um einen Gewinn), äußerte sich zuerst das Oberhaupt des Rates, sehr besorgt zu sein. Danach meldeten sich die anderen Vertreter zu Wort, ebenfalls alle von tiefster Sorge erfüllt. Daraufhin  verfassten sie einen Text, über den sie sich üblicherweise heftig stritten. Am Ende stand in einer Erklärung, dass das massenhafte Meucheln nicht sehr ästhetisch sei, richtig besorgniserregend, um es in aller Deutlichkeit zu schwafeln. Damit war die Sache für die kommenden Monate erledigt.

Krzatsch überzeugte sich, dass aufgrund all dieser Eigentümlichkeiten die Terraner insgesamt ausgesprochen unfähig waren.  Ständig lagen sie in irgendeinem Streit oder gar Krieg, zerstörten auf der Suche nach Gewinn ihre Umwelt und erzählten ihren Kindern zum Einschlafen Märchen, in denen das Gute stets das Böse besiegte. Doch wie sollte er die Unfähigsten der Unfähigen heraussuchen? Hier in Berlin? Er erstellte eine Liste:

 

  • die Bauherren des Flughafens Berlin-Brandenburg
  • das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz
  • Hertha BSC
  • die Straßenreinigung am Wedding
  • ...

Er hielt ein und begriff, dass er so nicht weiter kommen würde; er bräuchte eine kleinere Gruppe, deren Verschwinden unbemerkt bliebe.

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Am nächsten Morgen machte sich Krzatsch erneut auf den Weg. Dieses Mal ging er direkt auf die Menschen zu und benutzte dabei sein Repertoire an alltäglichen Floskeln:

  • „Könnten Sie mir bitte sagen wie spät es ist?“ - Der ältere Herr ging schweigend vorüber.
  • „Darf ich Ihnen über die Straße helfen?“ - „Hamse dir ins Hirn jeschissen, du alter Knacker?“ antwortet die junge Dame mit lila Haaren.
  • „Wie komme ich zum Fernsehturm?“ - „Vapiss dir du Penner!“ entgegnete der unscheinbare Mann.

Die folgenden 134 Versuche brachten in etwa dasselbe Ergebnis. Kein potentieller Proband war zu einem Gespräch bereit. Eine einzige Dame reagierte anders. „Is‘ schon klar“ meinte sie und warf ihm eine Münze vor seinen Mantel. Ehe er sich‘s versah, war sie in der Menge untergetaucht.

Auf seinem Heimweg zur Kapsel wandelte er am späten Nachmittag durch einen Park.   Leicht konsterniert schwankte er in seinen Gedanken zwischen zwei alternativen Möglichkeiten: irgendein Seniorenheim oder die Besucher eines Museums. Vom Verschwinden der betroffenen Geschöpfe würde niemand Notiz nehmen. „Hallo edler Herr, haben Sie keine Kippe für einen armen Schlucker?“ vernahm er unerwartet. Auf einer Bank im Schatten der Bäume saß einer seiner Mantel- und Bart-Verwandten. Krzatsch schloss die Augen und befragte erfolglos den Dolmatsch. „Was ist eine Kippe?“, gab er ehrlich zurück. Sein Gegenüber verfiel zunächst in ein Verhalten, das er als Lachen interpretierte, und darauf in einen Hustenanfall, welcher den vitalen Zustand des Mannes ernsthaft zu gefährden schien. „Na ‘ne Fluppe, Glimmstängel, wie auch immer. Sag mal, biste vom Mond?“ Der Dolmatsch blieb erneut eine Antwort schuldig. Krzatsch resignierte. „Nein, ich bin von Trongus. Das liegt für euch im Sternbild Schwan.“ Dieses Mal blieben die vitalen Signale im gelben Bereich. Nach zwei Minuten hatte sich der Alte wieder gefasst. „Also wenn dir noch ein Co-Pilot fehlt … solange ich auf der Reise nicht verdurste.“

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Wenige Stunden später befand sich Krzatsch in seinem Raumgleiter auf dem Rückflug. Seine knapp vierzig Gäste durften sich frei bewegen und vergnügen; der für sie vorbereitete Bereich im Schiff stand einem 5-Sterne Hotel ohnehin in nichts nach. Herbert, so hieß der Alte auf der Parkbank, hatte die besten seiner Freunde überzeugt, freiwillig mitzufliegen. Die Gruppe, die sich vor ein paar Tagen unter der Brücke am Feuer wärmte, war ebenfalls dabei. Offenbar kannte Herbert mindestens die Hälfte der Obdachlosen von Berlin. Alle waren begeistert; ein Trip durchs All war aufregender und vor allem bequemer als die Tiefgaragen, U-Bahn-Stationen und sonstige Schlafstätten. Die erste Bedingung, die Krzatsch erfüllen musste: hochwertige Weine, deftiges Essen und Tabak vom Feinsten. Nichts was ein erfahrener Kollektor nicht mit Leichtigkeit in den Spezialläden in Luft auflösen lassen könnte.

Er war rundum zufrieden. Zum einen vertrieben ihm Herbert und seine Truppe die Langeweile. Andererseits lernte er mehr über die Menschen und ihre Tugenden und Schwächen, als die Forscher im Labor in Hunderten von Perioden herausfinden würden. Und er hatte Spaß daran, vor allem beim regelmäßigen Pokern. Nach irdischen Maßstäben galten seine neuen Gefährten als durch und durch unfähig. Wie die Experimente mit dieser „sozialen Ausgleichs-Gemeinde“ verlaufen würden, war letzten Endes unerheblich. Telepathische Grundkenntnisse könnten sich später sogar als sehr nützlich erweisen. Krzatsch würde ihnen bei der Rückkehr die erworbenen Fähigkeiten und Erinnerungen nicht tilgen. Das war die zweite Bedingung.

 

ENDE

 

 


Im 2. Rang und Gewinnerin von 100 Euro

 

 

Elisabeth Noak

 

Elisabeth meint, sie hätte, was das Schreiben anbelangt noch zu wenig Geschirr zerschlagen, das lohnend in einer Vita erwähnt werden könnte.  Gut so, wir behalten sie weiter im Auge!

 

 

Sehr verehrte Elisabeth,

 

 

herzlichen Glückwunsch zu Ihrer originellen Geschichte. Wie Sie selber feststellen können, wurde Ihre Story nicht nur wohlwollend gelesen, sondern auch eifrig bewertet. Auch die Experten erkannten Ihr junges Talent. Wir freuen uns mit all denen, rund um den Erdball, die Ihr gelungenes Werk der ENTFÜHRUNG noch lesen dürfen.

 

 

 

 

Entführung

(Urheberrechte & Copyrights © by Elisabeth Noak)

 

 

Nichts ist schöner als solche Autofahrten.

Ernsthaft, da weiß ich, wofür ich lebe. Andere vergessen ihre Sorgen im Urlaub am Strand, ich vergesse meine Sorgen bei Sonnenuntergang im Auto auf der einsamen Landstraße, wenn ich nebenbei die Zauberflöte auf Kassette höre. Ich fahre und singe mit zu Papageno und freue mich, dass ich noch eine Stunde Fahrt und fast die ganze Oper vor mir habe. Außerdem freue ich mich, dass der Wald jetzt hinter mir liegt. Nicht, dass der Vogelfänger am Ende noch ein Reh auf die Fahrbahn lockt und ich einen Unfall baue.

 

Die Straße windet sich Richtung Westen und ich klappe den Blendschutz herunter. Die Sonne steht allerdings schon so tief, dass das nicht viel bringt. Unverschämt, das Blenden stört die perfekte Fahrt! Ich fahre langsamer und überlege, ob ich es aushalten möchte. Nee. Lieber rechts ran.

   Ich angle das Basecap von der Rückbank und setze es auf und ein paar Sekunden lang schützt es meine Augen vor der Sonne. Aber dann plötzlich nicht mehr.

  Die Sonne sinkt schneller als sie sollte. Und sie summt. Immer lauter.

  Dies‘ Bildnis ist bezaubernd schön. Wie’s noch kein Auge je geseh’n, singt Tamino.

   Und, Donnerlittchen, fast möchte ich meinen, dass das, was sich hier grade abspielt, auch noch kein Auge je gesehen hat.

   Als klar ist, dass es nicht die Sonne ist, denke ich zuerst an einen Hubschrauber, aber mittlerweile ist es so nah, dass man den Propeller deutlich hören können müsste. Das leuchtende Ding summt aber nur. Eine Drohne dann? Aber dafür ist es zu groß. Es kommt immer näher und fliegt immer tiefer. Das Summen wird zum Dröhnen, als es fast genau über meinem Wagen angekommen ist. Und dann schlägt es eine Kurve und landet auf dem leeren Acker links von mir.

   Zuerst hört das Summen auf. Dann gehen die Lichter aus. Dann klappt mir die Kinnlade herunter.

   Matt schwarz glänzt es im Licht der Abendsonne.

 

Verdammt noch mal. Das ist ein UFO, wie es im Buche steht.

Millionen Gedanken auf einmal gehen mir durch den Kopf. Bin ich in Gefahr? Soll ich wegfahren oder bleiben? Die Oberfläche ist ganz schwarz, wo kam denn dann das Leuchten her? Wollen die was von mir? Polizei rufen? Feuerwehr?

   Und da ist es plötzlich weg.

Ich kneife verwirrt die Augen zu und reiße sie wieder auf. Das riesige Flugobjekt ist wirklich fort. Wie vom Erdbeben verschluckt. Der Acker ist leer.

 

Es ist nicht zu glauben, das kann doch gar nicht sein. Nie im Leben habe ich mir das eben nur eingebildet!

   Ich halte die Luft an, um zu sehen, ob ich träume, kneife mich, mache die Augen zu und zähle bis zehn – nichts. Einfach weg.

   Den Motor mache ich aus, aber die Musik lasse ich laufen, denn jetzt ist mir ein wenig mulmig zu mute. Werde ich verrückt?

Ich sitze eine halbe Minute lang starr auf meinem Sitz, aber dann ist es einfach nicht mehr auszuhalten.

   Der Tenor im Hintergrund beendet seine Arie, als ich die Tür öffne und aussteige.

  Umschauen. Kein Auto in Sicht. Leere Straße, leerer Acker. Aus den Wipfeln der Kiefern auf der waldigen Anhöhe, aus der ich gekommen bin, fliegen krächzend ein paar Krähen auf. Ansonsten ist es still.

   Schritt für Schritt schleiche ich über die Straße an den Rand des Feldes.

   Das riesige Ding stand auf mannshohen Stelzen, aber von Weitem sind keine Abdrücke in der Erde zu sehen.

   Ich steige über die Leitplanke und sinke ein, der Boden ist ziemlich nass. Da kann ich meine Schuhe danach wegschmeißen. Aber was tut man nicht alles für die Wissenschaft.

 

Schritt für Schritt taste ich mich zu der Stelle vor, an der das Raumschiff eben noch stand. Auf halbem Wege überlege ich, ob es so klug war, mich unbewaffnet aus der Deckung zu begeben. Aber das einzige, was ich als Waffe benutzen könnte, wäre ohnehin nur ein Regenschirm im Kofferraum.

   Genau hier. Hier muss es gewesen sein.

Ich schaue nach oben in die Richtung, aus der es gekommen ist. Die Luft flimmert in der Abendsonne. Aber wenn es sich vom Acker gemacht hätte, hätte ich es doch sehen müssen! Hat es sich teleportiert?

   Ich hocke mich hin und untersuche den Boden, aber es ist eben ein ganz normaler Acker.

Da summt es kaum hörbar über mir.

Und ich merke, wie unbeschreiblich dumm ich gewesen bin, als ein riesiger Schatten auf mich fällt.

   Dumm, dumm, unsagbar, unglaublich, unverzeihlich dumm!

Vier mannshohe Stelzen und ich stehe direkt in der Mitte. Und über mir blockiert nun der massige schwarze Körper die Sonne.

Alientechnologie, unsichtbar machen, tarnen, jedes Kind hätte darauf kommen können! Nur ich Kleingeist falle natürlich darauf herein und renne hin.

 

Ich könnte mich selbst schlagen. Aber so schlecht ist das eigentlich gar nicht, denn meine Wut auf mich selbst ist so groß, dass die Angst erst an zweiter Stelle kommt. Zum Fürchten ist sowieso nicht genug Zeit, denn bevor ich überhaupt daran denken kann, zum Auto zurückzurennen, fühle ich ein Kribbeln im ganzen Körper. Instinktiv kneife ich die Augen zusammen und ziehe den Kopf ein, und dann spüre ich auf einmal keine Erde mehr unter meinen Füßen, sondern festen Grund.

 

Es ist still.

Es ist kühl.

Es riecht komisch.

   Steril und gleichzeitig irgendwie muffelig.

Und ich traue mich nicht, die Augen aufzumachen.

  Beam me up, Scotty, hallt es in meinem Kopf, und leider ist das sehr unangemessen und hilft mir überhaupt nicht weiter. Mein zweiter Gedanke geht an eine Doku, die sich mit der Frage beschäftigt hat, ob man beim Teleportieren nicht sterben und am anderen Ende der Leitung lediglich durch eine Kopie seiner selbst ersetzt würde.

 

Ich presse mir die Hände auf die Augen. Also bin ich nur eine Kopie? Ist in dieser einen Sekunde mein altes Ich gestorben? Und meine Seele, die auch? Bin ich ein seelenloser Klon?

Bevor es zu einer Identitätskrise kommt, stößt mich jemand leicht an die Schulter.

  Was sind meine Optionen? Erstens, die Hände auf den Augen lassen. Das führt nirgendwo hin. Zweites, gucken. Wo führt das hin?

Ein weiteres Mal werde ich angestoßen, diesmal von der anderen Seite.

   Ich hatte sehr viel Technik erwartet. Wie ein Flugzeugcockpit, aber noch science-fiktionaler. Immerhin haben sie sich ganz einfach unsichtbar gemacht.

   Stattdessen sehe ich mein Auto, den Acker und die Straße. Das gleiche wie vorhin, nur etwas höher. Und ich sehe das alles offenbar durch eine leicht dunkel getönte Glaswand.

   Als Nächstes sehe ich zwei Taucher.

Keine grünen Männchen mit riesigen schwarzen Augen. Keine hochtechnologischen Raumanzüge. Die beiden Gestalten vor mir tragen Taucheranzüge, die aus einer Jules Vernes-Verfilmung stammen könnten. Riesige Metallhelme mit unpraktisch winzigen Guckfenstern und braune Ganzkörperanzüge, die ungeheuer schwer aussehen. Was für ein Wesen darunter steckt, ist ärgerlicher Weise beim besten Willen nicht zu erkennen. Vielleicht aber besser so.

Ich starre sie an und sie starren zurück.

 

Schließlich kommt Regung in den rechten der beiden. Er streckt den Arm aus. Und schüttelt mir die Hand. Die linke. Sehr steif und merkwürdig und etwas zu lang.

   Als er mich wieder loslässt, verschränke ich die Arme, damit ich von dem anderen nicht auch noch so einen unangenehmen Händedruck bekomme. Generell bin ich aber froh, denn ich denke doch, dass das keine feindselige Begrüßung sein sollte, oder?

  Dann passiert wieder gar nichts. Himmelherrgott, ich bin nicht freiwillig hier, ihr müsst mir schon sagen, was ihr von mir wollt! Schließlich halte ich die Stille nicht mehr aus.

   „Verstehen Sie mich?“, frage ich, zugegebener Maßen recht plump.

Keine Antwort.

    „Ich muss zurück“, sage ich und zeige auf mein Auto.

Die beiden wenden sich in die Richtung, in die ich zeige, und betrachten mein Fahrzeug aufmerksam.

  „Ich“, sage ich und zeige auf mich, „will dahin“ – Autozeig – „zurück.“

   Nun tritt der linke der beiden einen Schritt auf mich zu. Dann streichelt er mir den Arm.

   Ah, das mag ich nicht. „Nein“, sage ich und schiebe seine Hand weg und er hört tatsächlich wieder auf. Wollte er – mich trösten? Oder beruhigen?

 

Der Rechte probiert es jedenfalls mit einer völlig anderen Strategie. Der streckt mir auf einmal einen Geldschein entgegen. Die Zahl Hundert und ein Mann im Viertelporträt sind drauf zu sehen, aber die Währung kenne ich nicht.

   Ich gerate ins Schwitzen, was sind meine Optionen? Mich von einem Außerirdischen mit hundert Irgendwas bestechen zu lassen und im Austausch offenbar hier bleiben zu müssen. Aber stimme ich damit zu, nur eine kurze Weile, oder dauerhaft zu bleiben?

  Und was machen sie, wenn ich das Geld nicht annehme? Ich denke doch, dass sie mich nicht so einfach wieder gehen lassen werden, oder doch?

    Mein Verstand sagt, ich sollte die Finger davon lassen.

Mein Herz fragt sich, ob man als erster interplanetarer Botschafter die Chance hat, auf einem Geldschein porträtiert zu werden. Bestimmt. Vielleicht sogar auf der ersten interplanetaren Währung.

Her damit.

   Ich nehme das Geld entgegen und warte auf eine Reaktion. Doch die bleibt aus. Die Guckfensterscheiben in den Helmen sind dunkel, sodass ich keine Chance habe zu sehen, was dahinter passiert. Vielleicht freuen sie sich beide und ich kann es nicht sehen. Vielleicht wissen sie auch nicht, wie Menschen Freude zeigen. Oder die beiden sind einfach knallhart und wollen mich weich kriegen.

 

Stattdessen hat nun der Linke etwas hervorgezogen, das er mir hinhält. Kein Geld diesmal, sondern eine kleine schwarze Karte, vielleicht so groß wie ein Personalausweis. Und darauf zu lesen ist das Wort „WER“.

   Wer? Der Aliens schwenkt die Karte und zeigt auf mich.

Wer ich bin, wollen sie wissen?

Ich denke, das ist keine gute Idee, denen einfach meinen Namen zu sagen.

 

Die beiden warten geduldig und ich verkneife mir ein Lächeln, denn auf einmal fällt mir einer der wenigen Science-Fiction-Filme ein, die mir gefallen haben. Zurück in die Zukunft 3.

   „Eastwood“, stelle ich mich also vor. „Clint Eastwood.“

Ich seufze, abermals keine Reaktion. Womöglich ist es am Ende nur ein großer Test um zu sehen, wie ehrlich und offen für Alien-Freundschaften die Menschheit ist, und ich falle schon bei der ersten Frage glattweg durch. „Weist Zuneigung ab, ist korrupt, lügt“, haben sie sich vielleicht schon notiert.

   Der Linke schwenkt noch einmal die Karte mit „WER“, dann zeigt er auf das Porträt auf dem Geldschein.

   Ich zucke mit den Schultern. Die beiden warten stumm, länger, als man in einer gewöhnlichen Unterhaltung auf eine Antwort warten würde. Schließlich ist offenbar der andere wieder dran.

   Der zeigt mir nun ein kleines knallblaues Objekt. Wo nimmt er das alles her, hat der eine Hosentasche da in seinem Taucheranzug?

 

Der andere zeigt mir nun eine neue Karte. Dieses Mal steht nicht „WER“ darauf, sondern „WIE“.

Ich nehme das Objekt entgegen und muss fast lachen.
Das ist eine dieser flachen blauen Plastikdosen mit anderthalb Meter Kaugummi-Rolle innen drin.

Wie? Also wollen sie wissen, wie man das benutzt?

  „Das ist zum Kauen“, erkläre ich, auch wenn ich mittlerweile ziemlich sicher bin, dass sie mich ohnehin nicht verstehen. Vielleicht stehen sie ja noch am Anfang ihrer Menschen-Kulturanthropologie und können irgendwann nachträglich übersetzen, was ich heute gesagt habe. Die Fragewörter haben sie ja offensichtlich schon herausgefunden, das ist doch ein guter Anfang.

   Die Schachtel ist zum Glück noch nicht geöffnet, wer weiß, wo sie das gefunden haben. Ich mache sie auf, zeige ihnen die Rolle, reiße ein Stück ab und kaue es.

 

Das ist ja zum Verrücktwerden, wie die beiden überhaupt nicht reagieren! Immerhin tritt der Linke ein Stück näher, als ich eine Blase mache. Und dann hält mir der Rechte die geöffnete Hand hin.

   Ich höre auf zu kauen, er starrt mich an, ich starre ihn an. Die Kaugummidose, die ich ihm in die Hand lege, steckt er ein, hält die Hand aber weiterhin ausgestreckt.

Also spucke ich Kaugummi hinein.

   Und er steckt ihn weg.

Wieder kommt die Frage auf, wo er die Sachen denn verstaut. Selbst, wenn es eine Tasche ist, er wird doch wohl nicht hohe Geldscheine und fremden gekauten Kaugummi an demselben Ort verstauen? Und ach du meine Güte, vielleicht hätte ich das nicht tun sollen, jetzt haben sie ja meine DNA!

   Jetzt zeigt er jedenfalls auf die dunkle Scheibe, hinter der sich der Acker und die Straße befinden. An der Stelle, hinter der mein Auto zu sehen sein sollte, ist nun ein Bild, eine Art Projektion.

 

„Jetzt kommen wir der Sache näher!“, rufe ich begeistert.

Das ist tatsächlich ein Bild der ägyptischen Pyramiden, das sie da an die Scheibe geworfen haben!

   „Also stimmt es?“, frage ich, mehr mich selbst. „Also wurden die Dinger mit außerirdischer Hilfe erbaut?“

Ich trete an die Scheibe heran und betrachte mir die riesigen Bauten. Tatsächlich. Und ich dachte, das wären nur Verschwörungstheorien! Diese komischen Aluhutträger, habe ich immer gedacht, natürlich wurden die Dinger nicht von Aliens erbaut! So sehr kann man sich also täuschen.

   Und da verfliegt die Begeisterung schon, denn der Linke hält mir wieder seine Karte hin. „WIE“.

Hmpf, also doch nicht. „Ich dachte, dass ihr mir das sagen könnt!“, rufe ich resigniert. Dann zucke ich mit den Schultern. „Dann waren es wohl ägyptische Bauarbeiter. Oder eure Vorfahren, wer weiß das schon.“

 

Der Linke zieht eine dritte Karte hervor. „WANN“.

Na, das kann ich vielleicht wenigstens ungefähr beantworten.

   „Vor so vier, fünftausend Jahren?“, schätze ich. Dabei halte ich die Hände vor mir ausgestreckt weit auseinander, ein besserer Weg fällt mir nicht ein, ein Jahr zu repräsentieren.

   Wieder warten die beiden und dieses Mal habe ich beinahe das Gefühl, dass sie irgendwie enttäuscht aussehen. „Was habt ihr denn erwartet?“, frage ich entschuldigend. „Wir kommunizieren nun mal mit Sprache, da kann ich doch nichts dafür, wenn ihr die nicht versteht …“

 

Statt einer Antwort zeigt der Rechte nun wieder auf die Fenster-scheibe. Das Bild von den Pyramiden verschwindet. Dafür erscheint ein neues Bild, diesmal allerdings kein Foto, sondern mehr ein … Schema.

   Ein leeres Organigramm. Der Linke zeigt mir wieder die „WER“-Karte.

   Ich ziehe die Augenbrauen hoch. Wird es jetzt also ernst? „Die Pyramiden waren wohl nur zum Aufwärmen, ihr Schlitzohren“, sage ich. Dann geht es jetzt also an die Weltpolitik?

   Der Rechte streckt ganz langsam den Arm nach mir aus. Dann greift er mich am Handgelenk und führt meine Hand an die Scheibe.

Als mein Zeigefinger das Glas berührt, hinterlässt er dort einen weißen Punkt.

    „Donnerliedchen.“

Bevor ich mich an das Schema mache, kann ich mir nicht verkneifen, ein Lachgesicht und eine Schnecke an die Scheibe zu malen. Ein Nikolaushaus darf ich auch noch, dann zeigt der Linke mir wieder die „WER“-Karte und deutet noch einmal auf das Organigramm.

Also schön.

 

Ich fülle die untersten Zeilen der Pyramide mit einigen wichtigen Namen, die mir spontan einfallen. Mit einer richtigen Weltordnung hat das wirklich überhaupt nichts zu tun, aber ich weiß ja auch nicht, was die beiden mit diesen Informationen anstellen wollen. Dann komme ich an die oberen Reihen und gerate ins Überlegen.

   Im Kopf gehe ich Größen der Popkultur durch und muss grinsen. Weil ich ein Mensch von Kultur bin und gerade dabei war, schreibe ich als erstes Sarastro aus meiner Oper auf. Daneben schreibe ich „Graf Dracula“ und „Dagobert Duck“.

 

„Du verlierst dich“, sage ich zu mir selbst, weil mir immer kindischere Einfälle kommen, am Ende schöpfen sie noch Verdacht. Ich versuche also, wenigstens ein bisschen ernst zu bleiben, und schreibe „Cäsar“ und „Kleopatra“ in die vorletzte Zeile. Da haben sie zumindest richtige historische Persönlichkeiten, die sie recherchieren können, und finden bei der Gelegenheit vielleicht auch noch etwas mehr über die Pyramiden heraus.

   Den leeren Platz an der Spitze des Schemas betrachte ich lange. Ich könnte natürlich mich selbst dort eintragen, aber das durchschauen sie sicherlich. Und, wenn nicht, behalten sie mich am Ende als Geisel hier.

Dann schreibe ich „Mark Zuckerberg“ hin. Und gerade als mir auffällt, dass das ja geradezu philosophisch ist, da das Internet ja irgendwie wirklich die Welt kontrolliert, kommt mir noch ein besserer Einfall.

 

Ich streiche Herrn Zuckerberg wieder durch und male ein Illuminati-Auge hin.

   „Fertig“, sage ich und grinse.

Die beiden besehen sich mein Werk aufmerksam. Dann zeigt der Rechte erst auf mich und dann auf den Smiley, den ich zuallererst an die Scheibe gemalt hatte.

   Ich weiß nicht genau, was er damit meint, also lächle ich verlegen, nicke und zucke gleichzeitig mit den Schultern.

Dann verblasst das Organigramm.

   Ich frage mich mittlerweile, ob noch jemand in diesem UFO ist. Irgendjemand wird doch wohl kontrollieren, welche Bilder das Fenster anzeigt? Und irgendwo muss es ja auch noch richtige Steuerelemente geben, oder nicht? Also gibt es vielleicht etwas wie eine zweite Etage?

   Die Decke ist schwarz, der Boden ist schwarz, eine Tür oder Luke ist beim besten Willen nicht zu erkennen.

   Bevor ich der Sache weiter auf den Grund gehen kann, macht der Linke wieder auf sich aufmerksam, indem er mir eine neue Karte entgegenstreckt. „WARUM“, steht dieses Mal darauf.

   Der andere zeigt wieder auf die Glasscheibe.

Das Organigramm ist verschwunden, wenn meine Kritzeleien auch geblieben sind. Stattdessen ist dort nun wieder etwas Neues zu sehen, kein Standbild diesmal, sondern ein Video. Und sobald ich den Blick darauf richte, wird der ganze Raum durchflutet mit dem Ton, der dazugehört.

Das Video zeigt mein Auto. Und drinnen sitze ich und fahre und singe lautstark das Lied des Vogelfängers mit.

Es ist sehr unangenehm, sich selbst in so einer Situation zu sehen und zu hören, in der man sich eigentlich unbeobachtet glaubte.

Der Linke schwenkt noch einmal die „WARUM“-Karte. Ich finde das regelrecht unverschämt von den beiden, also zucke ich nur nichtssagend mit den Schultern.

Dann aber zeigen die beiden zum ersten Mal eine richtige Reaktion. Sie schauen sich an. Und dann zucken sie ebenfalls mit den Schultern.

Habe ich den beiden also wirklich das Schulterzucken beigebracht?

Sofort hebt sich meine Stimmung wieder.

„Weil’s Spaß macht“, beantworte ich ihre Frage und zeige auf das Lachgesicht an der Fensterscheibe.

Draußen ist es mittlerweile dunkel geworden. Mit dieser Erkenntnis kommt die Sentimentalität und auf einmal tun die beiden mir irgendwie leid.

   Da ist man monatelang durchs All gereist, um etwas über die Menschen zu erfahren und dann trifft man auf jemanden, der sich Clint Eastwood nennt, keine einzige Frage ernsthaft beantwortet und einen bei der Weltpolitik völlig über den Tisch zieht. Alles, was die beiden bis jetzt von mir gelernt haben, ist, wie man Kaugummi benutzt. Und dabei waren sie doch wirklich freundlich zu mir und haben mich für meine Auskunft sogar bezahlt!

   Das war wirklich nicht sehr nett von mir, muss ich ehrlich zugeben. Und müsste ich nicht eigentlich besonders gastfreundlich sein, wo die beiden doch von so weit weg kommen? Gut, im Prinzip haben sie mich entführt. Aber hätten sie das nicht getan, hätte ich wohl schleunigst die Flucht ergriffen, also kann ich ihnen das nachsehen.

   Da kommt mir eine Idee.

Die Sprache der Großzügigkeit versteht man doch sicher in allen Kulturen, ob irdisch oder nicht. Also nehme ich meine Armbanduhr ab und überreiche sie ihnen.

Die beiden zögern einen Moment. Dann nehmen sie mein Geschenk entgegen.

   Der rechte steckt es ein. Der Linke zeigt auf das Lachgesicht am Fenster.

 

Hach, ich bin gerührt! Sicher ist das der Beginn einer fantastischen ewigen Freundschaft zwischen Menschen und Außerirdischen!

   Aber jetzt möchte ich doch unbedingt wissen, wo der Rechte die ganzen Sachen aufbewahrt. Ich nehme also dem Linken seine Karten ab und zeige die „WIE“-Karte, dann deute ich auf seinen Taucheranzug.

   Er schaut mich an und zuckt mit den Schultern.

Dann tritt der Linke an mich heran und zieht an meinem T-Shirt.

Ich mache einen Satz zurück und verschränke die Arme.

   „Also gut“, sage ich dann. „Ich zieh mein Shirt aus, wenn ihr mal die Helme abnehmt.“

    Mit diesen Worten zeige ich auf beide und halte ihnen die „WER“-Karte hin.

    Sie starren mich lange an und ich bin mir ziemlich sicher, dass sie genau verstanden haben, was ich will.

   Ich bin so gespannt, es ist kaum auszuhalten. Die Anzüge haben die Form und Größe eines Menschen, aber das heißt nicht, dass die Träger nicht Tentakeln haben können. In die großen Helme passen locker zwei Köpfe herein.

Da hebt der Rechte die Hand.

Und dann blitzt es.

 

.....

 

Nichts ist schöner als solche Autofahrten.

Andere vergessen ihre Sorgen im Urlaub am Strand, ich vergesse meine Sorgen bei Sonnenuntergang auf der einsamen Landstraße.

   Ich fahre und singe mit zu Papageno und freue mich, dass ich noch eine Stunde Fahrt und fast die ganze Oper vor mir habe.

  Die Straße windet sich Richtung Westen und ich klappe den Blendschutz herunter. Die Sonne steht allerdings schon so tief, dass das nicht viel bringt. Unverschämt, das Blenden stört die perfekte Fahrt!

   Ich fahre langsamer und überlege, ob ich es aushalten möchte. Nee. Lieber rechts ran.

Ich angle das Basecap von der Rückbank und setze es auf.

 

Und dann wird es plötzlich dunkel und ich setze mich unsanft hin.

In den Matsch.

Eine geschlagene Minute lang sitze ich wohl nur so da, völlig regungslos.

   Es ist Nacht.

Ich sitze mitten auf dem Acker.

Ich ringe nach Luft und stehe dann wankend auf. Presse mir die Hände an den Kopf und überlege, was eben passiert ist.

   Der Mond beleuchtet die Straße, ansonsten ist es stockdüster.

Wie spät ist es?

Meine Uhr ist weg!

 

 

 

ENDE

 

 

 

 


Im 3. Rang und Gewinnerin von 50 Euro

Noel von Óc ist auf dem sagenumwobenen „Schloss der weißen Katze“ in der Region Okzitaniens aufge-wachsen, die auf heutigen Karten nicht mehr verzeich-net ist. Der Blick für das „Dazwischen“ ist ihr stets erhalten geblieben. Hin und wieder gewährt sie der Außenwelt den einen oder anderen Einblick, in Form ihrer Geschichten.

 

Sehr verehrte Noel,

 

 

auch Ihnen herzlichen Glückwunsch zu Ihrer Gräfin im Federkleid. Der 3. Platz war am härtesten umkämpft, doch Ihre Kraniche ließen sich nicht mehr rupfen und ermöglichen dadurch der Gräfin, sich nun rund um den Erdball bekannt zu machen. Wir freuen uns mit Ihnen.

 

 

 

 

 

Die Gräfin im Federkleid 

(Urheberrechte & Copyrights © by Noel von Óc)

 

Die Grillen zirpen, die Luft ist noch immer lau zur Abenddämmerung. Erdiger Geruch hat sich aus der spätsommerlichen Wärme mit dem nun einsetzenden Regen vermischt. Es wird bald vorübergehen. Das verrät die Leichtigkeit der Regentropfen, die beinahe elegant, geschmeidig wie der Wurf eines Chiffonschals in der Luft, auf die Erde herabfallen. Die Natur wird es danken nach diesem heißen Sommer. Ringsum von Bäumen umgeben, sitze ich geschützt auf einem flachen Stein. Abends komme ich besonders gerne hierher, um den Sonnenuntergang zu betrachten, den Tieren zu lauschen und den Tag von mir abzustreifen. Heute will ich bleiben, bis der Vollmond seine ganze Pracht entfaltet hat und in seinem Silberglanze baden. Der Regen ist schon kaum mehr als ein Nieseln. Vor mir liegt der Acker zu Füßen. Von hier oben fühle ich mich jedes Mal tatsächlich etwas des Bodens erhoben. Hier kann ich abschalten, träumen, wieder Eins werden, mitten im Wald.

 

Diese Gegend ist ohnehin recht verlassen. Kaum jemand verirrt sich noch hierher. Außer „die Gräfin“. Sie ist keine wirkliche Gräfin, doch wird sie von allen im Ort so genannt. Nicht, dass jemand näheren Kontakt zu ihr hätte, doch ihre Person unerwähnt zu lassen, wäre in etwa so, als verschwiege man das Leuchten der Glühwürmchen, welches diesen zu ihrem Namen verholfen hat. Denn ansonsten wäre dieser Ort wirklich etwas öde, außer man hat – wie ich – ein Faible für weitläufige Natur und Tierforschungen. „Die Gräfin“ also, wie sie genannt wird, lebt fernab der Landstrecke in einer großen Villa, ganz allein mit ein paar Katzen. Früher war es wohl ein herrschaftliches Anwesen mit blühendem Garten, Bediensteten, einem Ententeich und Jagdhunden – eben alldem, wie man sich so eine frühe Adelsgesellschaft vorstellen mag. Wahrscheinlich wird sie auch deshalb nur „die Gräfin“ genannt. Eigentlich ist sie Historikern und Anthropologin. In ihren besten Jahren hat sie an der Hochschule unterrichtet, doch das muss lange her sein. „Die Gräfin“ muss inzwischen sehr alt sein. Auch, wenn man ihr das bis auf ihr langes, silbergrau meliertes Haar nicht wesentlich ansieht. An ihren wirklichen Namen kann sich niemand mehr erinnern, oder aber will es nicht, um ihrer Erscheinung nur noch mehr ein Mysterium anzuhaften.

 

Ein Kauz ruft durch das knarzende Wiegen der Kiefern im Wind. Allmählich wird es dunkel. Der Mond steht bereits in seiner vollen Pracht. Durch die Baumkronen umrahmt, wird er wie jedes Mal aufs Neue zu meinem stillen Begleiter. Ich versinke ganz in seiner Magie, dieser Sphäre, die die Erde eben nur einen vieler Planeten sein lässt. Es raschelt im Gras. Ein Igel schleicht umher. Etwas Malerisches hat die Landschaft, wenn ich es genauer beschreiben sollte. Da sind diese horizontalen Ebenen, weites Land und Tiefenwirkung aus der Perspektive des höher gelegenen Waldes. Sattes Grün und wenn der Lein blüht, ein unverkennbares Blau, das sich mit ein paar Rottupfern der Mohnblumen am Wegesrand verbindet.

 

Es wird allmählich etwas kühl. Beinahe zwei Stunden lang sitze ich nun hier, während ich die Klänge der Nacht in mir aufnehme und die Augen schließe. Zum Zeichnen ist es nun zu dunkel. Wie die Ausrüstung für dieses Proviant an Ideenreichtum an diesem Ort, führe ich stets Stift und Papier mit mir zu diesen Ausflügen.

 

  Hier treffen mich die besten Inspirationen, manchmal sogar Geistesblitze. Ein ganzes Ringbuch habe ich bereits voll mit Zeichnungen und Textentwürfen aus meinen Besuchen in diesem Wald. Die Aussicht ist einfach einzigartig. Ein Flugzeug durchquert den Nachthimmel schleichend, schwebend in der Ferne, so wie ein Rochen tief am Meeresgrund dahingleitet. Ein Reh läuft über den Acker, hoch zum Wald. Am Wegesrand sitzen ein paar Hasen. Sie putzen sich und schlagen bald darauf Haken über das Feld. Ich höre den Ruf des Eichelhähers. Er ist so etwas wie die Waldpolizei, gilt sein Ruf allgemein bekannt als Signal drohender Gefahr oder Eindringlinge. Mich haben die Tiere längst schon angenommen, seit ich hierherkomme.

 

Plötzlich wird alles still. Der Himmel zieht sich etwas zusammen. Der Mond verschwindet hinter einer Wolke, kommt aber bald wieder zum Vorschein und erhellt die Landschaft nun auf gespenstische Art scheinbar heller als zuvor. Doch vielleicht ist das nur eine optische Täuschung. Da regt sich etwas. Ich nehme mein Fernglas hervor und stelle es auf Weitsicht. Es besteht kein Zweifel. „Die Gräfin“ fährt in ihrem uralten Citroën DS die Landstraße hinaus. Der Wagen ist unverwechselbar mit seinem alten Modell und den silberfarbenen Lacken, die etwas an einen Flickenteppich erinnern. Das erkennt man selbst auf die Entfernung. Zudem fährt „die Gräfin“ betont langsam. Doch was bewegt sie wohl zu solch später Stunde dazu, noch hinauszufahren? Nun gut, ich bin ja schließlich auch hier draußen, doch gerade bei der „Gräfin“ weckt es zusätzliche Neugier. Es ist bekannt, dass sie mit den Schlüsseln zur Kirche im Ort jederzeit Zugang hat und hin und wieder dort die Orgel spielt. Dadurch wurde sie wahrscheinlich noch mehr zum Kuriosum, wobei das manchmal mehr über die Kurzsichtigkeit und Unerfahrenheit in Sachen Diversität der Betrachter aussagt. Ich sympathisiere insgeheim mit „der Gräfin“. Nun frage ich mich doch, wohin sie wohl unterwegs ist bei Anbruch der Nacht.

 

Der Himmel verfinstert sich, der Mond ist wie hinter einem Wolkenvorhang verborgen. Dicke graue Wolken ziehen auf.

 

   Mir bleibt der Atem Stocken. Wie aus dem Nichts bewegt sich dieses leuchtende Etwas vom Himmel herab auf den Acker, kurz bevor „die Gräfin“ diesen Punkt erreicht.

 

    Es scheint geradewegs aus den Wolken zu kommen und blendet mich. Ich muss paarmal blinzeln, bis ich wieder etwas erkennen kann. So etwas habe ich noch nie gesehen. Das Objekt kommt zum Landen. Auch „die Gräfin“ hält an. Gedehnte Sekunden verstreichen, gefühlt wie eine halbe Ewigkeit. Alles ist so still, die Luft steht regelrecht. Einzig ein gebanntes Warten darauf, dass sich in dieser Szene etwas regt. Da schreckt von jetzt auf Gleich eine Taube gurrend über mir auf. Mein Herz bleibt fast stocken. Auch, wenn mich hier niemand sehen kann, beschleicht mich dieses Gefühl, ich selbst könnte beobachtet werden. Ich atme ganz langsam, wohldosiert. Aus Angst, ich könnte die Aufmerksamkeit eines Wesens auf mich lenken. Jetzt, endlich! Es bewegt sich etwas. „Die Gräfin“ öffnet die Tür des Wagens und steigt aus. Mein Herz schlägt schneller. Irgendetwas wirkt seltsam an ihr. Sie hält sich so steif, ihre Bewegungen sind so langsam. Wahrscheinlich steht sie unter Schock. Die Luke des leuchtenden Objektes öffnet sich. Es ist riesig, wie ein Raumschiff aus der Zukunft. Das Material erinnert an Metall, doch scheint es translumineszent zu sein.

 

Aus der Ferne kann ich erkennen, wie eine Treppe aus der Mitte der Öffnung an der Unterseite dieses Himmelsgefährts ausfährt. „Die Gräfin“ dreht sich in die Richtung des Objektes und zielt wie ferngesteuert auf es zu. Gleichzeitig traben erhabene Schritte andächtig die Stufen hinunter. Lange, dünne Stelzen sind zunächst das Einzige, das ich auszumachen vermag. Dann bleiben beide gegenüber stehen. Zwei Armeslängen sind sie etwa voneinander entfernt. Erst, nachdem sich meine Augen etwas an dieses grelle Licht gewöhnt haben, glaube ich aus den Konturen schließend dieses Wesen einordnen zu können. Es sieht aus wie ein zwei Meter großer Kranich. Daran besteht kein Zweifel. Dann streckt dieses Wesen langsam den linken Flügel der „Gräfin“ entgegen.

    Sie schreitet weiter auf dieses Wesen zu. „Die Gräfin“ verschwindet beinahe ganz unter dem Federkleid des Flügels. Ich kann gerade noch ausmachen, wie die beiden langsam in das Innere dieses Objektes im Bauch verschwinden. Die Luke schließt sich.

   Bin ich etwa gerade Augenzeuge einer Entführung geworden? – Geistert es mir durch den Kopf. Ich traue mich noch immer nicht, zu regen, verliere jegliches Zeitgefühl.

 

Aus der Ferne blinken unzählige rote, grüne, blaue, weiße Kontrolllämpchen im Inneren dieser Technik aus der Zukunft – denn anders kann ich es mir nicht erklären, als dass dies ein Gebilde aus ferner Zeit sein muss. Die Form eines Kreises ist spiralförmig, in der Anordnung der Nautilusschnecke im Inneren dieser Konstruktion nachempfunden. Das kann ich nun ganz deutlich erkennen, als die Beleuchtung stufenweise einsetzt. Plötzlich ertönen über die gesamte Landschaft Rufe scharenweiser Kraniche. So, als haben sie sich versammelt, um nun in den wärmeren Süden auszufliegen. Wobei das noch etwas früh in der Jahreszeit wäre. Lautlos erhebt sich das Raumschiff, die Lichter rotierend, als seien es Herzschläge. So plötzlich dieses Gebilde aus dem Himmel kam, so unverhofft erhebt es sich nun und verschwindet mit einem ultrahellen Lichtstrahl. Der Himmel klart sogleich wieder auf. Die Wolken sind wie Segelboote im Wind verschwunden, so als haben sie nur für die Dauer der Landung dieses Objektes als eine Art Tarnung gedient.

 

Der Mond erhellt die Straße wieder in seinem dezenten Schein, welcher mir nach den vorangehenden grellen Lichtern, welche ich gesichtet habe, wie eine Liebkosung für meine Sinne erscheint. Das Auto der Gräfin steht noch immer mit geöffneter Fahrertür dort. Verlassen, doch so, als sei nichts geschehen. Dann, völlig unerwartet, wird die Fahrertür von innen zugezogen. Ich kann nicht erkennen, wer dort am Steuer sitzt, doch bin ich mir sicher, zuvor niemanden sonst als „die Gräfin“ gesehen zu haben. Wie ist das möglich? Habe ich etwas übersehen? Nein, das halte ich für sehr unwahrscheinlich. Wurde „die Gräfin“ womöglich durch einen extraterrestrischen Trick in ihren Citroën zurück gebeamt, ohne dass ich es bemerkt habe? Das ergibt keinen Sinn. Wer ist das bloß? Handelt es sich möglicherweise um eine Doppelgängerin? Nach dem, was ich da eben beobachtet habe, würde mich nichts mehr großartig wundern. Der Wagen setzt sich in Bewegung und schleicht mit dem für „die Gräfin“ üblichen Tempo weiter in die Richtung zur Landstraße hinaus.

 

Mir wird mit einem Mal so kalt. Hinter mir knacken ein paar Äste, das Käuzchen ruft. Vor mir liegt die Landstraße wie ein verlassenes Idyll. Der Wagen verblasst in der Ferne. Es liegt nun an mir, den Rückweg anzusteuern, wenn ich noch kann. Das Knacken kommt näher. Die Tiere sind still. Über mir ein Flügelschlag. Vor mir sinkt eine kleine blaue Feder des Eichelhähers zu Boden, in der Ferne der Gesang der Kraniche.

 

Ich wache auf. Mir ist kalt und klamm. Ich fühle mich benommen, als ich die Augen aufschlage. Das Licht schmerzt. Wie spät mag es wohl sein? Oder sollte ich besser sagen – früh? Ich versuche, mich aufzurichten. Ein Pochen durchzieht meinen Schädel. Es schmerzt. Ich sinke gleich wieder hinab. Vorsichtig ertasten meine Finger die Schläfe, als ich mich behutsam auf den Rücken drehe. Mir wird übel und schwindelig zugleich. Es fühlt sich nass an. Da bemerke ich etwas Fremdes über meine Hand schlecken. Millimeterweise öffne ich die Augen. Heißer Atem schlägt mir entgegen, gefolgt von einer Hundeschnauze. Es ist Betty, der Wolfspudel von Harald, dem Jäger. Die warme Zunge des Tieres geleitet mich schonend hinüber ins Wachsein. Langsam setze ich mich auf. Mir wird gleich wieder schwindelig, alles dreht sich, Schwärze bricht über mich herein.

 

Unzählige Zuckerkristalle scheinen vor dem Inneren meiner Augen aufzuplatzen, bis ich die Kraft finde, meine Augen wohldosiert zu öffnen. Ich halte meinen Kopf in beide Hände gestützt. Etwas tut höllisch weh. Als ich meine rechte Hand vorsichtig zurückziehe, offenbart sie Blutspuren. Ich ertaste weiter meinen Kopf und stoße auf eine dicke Beule. Ich muss in der Nacht gestürzt oder ausgerutscht sein und mir den Schädel am Stein aufgeschlagen haben. So habe ich wohl die Nacht zugebracht. Ein Husten löst sich abrupt aus meinen Lungen, was einen stechenden Schmerz meinen Schädel durchfahren lässt. Betty bellt und kommt näher heran. Wir beide kennen uns schon, daher hat sie keine Scheu, die bei Fremden für gewöhnlich immer wieder, ihrer wölfischen Abstammung geschuldet, durchkommt. Doch der Pudel in ihr macht sie etwas umgänglicher. Betty leckt das Blut von meiner Hand. Da kommt auch schon Harald.

   „Lars, was machst du denn hier so früh? Ist alles in Ordnung?“ Die Frage anschließend muss wohl offenkundig sein, dass es das nicht ist. Das Jagdgewehr ablegend, setzt sich Harald neben mich.

  „Autsch! Das sieht nicht gut aus. Bist du die ganze Nacht hier gewesen?“ Ich bekomme keinen Ton heraus. Ich friere am ganzen Körper. Harald legt mir seine dunkelgrüne Jägerjacke aus Tweed über und hakt mich unter. „Kannst du gehen? Ich fahre dich zurück. Du brauchst erst einmal eine heiße Suppe und ein Bad.“

 

Schleichend setzen sich meine letzten Erinnerungen des Vorabends wieder fragmentarisch zusammen. Da war dieses Leuchten am Himmel. Richtig – und „die Gräfin“ ist dort auf der Landstrecke gewesen. Dann war da dieser eigenartige Kranich, oder was auch immer es gewesen sein mag. Oder habe ich das geträumt? Wie lange habe ich die Nacht so zugebracht? Ich muss mich erst einmal sammeln. Durch Harald gestützt schwanke ich neben ihm her zu seinem Wagen. Meine Kehle fühlt sich rau und trocken an.

   „Wir haben es gleich geschafft“, verkündet Harald. Betty läuft den Weg voraus. Im Subaru nehme ich auf dem Beifahrersitz Platz. Mir wird übel von den Gerüchen ungelüfteten Leders im Wagen, vermischt mit Hundeausdünstung und Wild. Harald hat wohl einen Blick dafür, handelt er doch schnell und kurbelt die Fenster herunter.

   „Ich fahre dich erstmal zu dir, dann sehen wir, ob du einen Arzt brauchst.“ Ich kann noch immer nichts erwidern, fühle mich benommen und schwach. Betty hat sich zu meinen Füßen gelegt und blickt immer wieder hechelnd zu mir auf. Die Strecke verläuft schweigend. Aus dem Autoradio tönt Roy Orbison mit „In Dreams“.

    Zum Glück ist es nicht allzu weit zu mir. Aus meiner Tasche krame ich den Schlüssel heraus, als das Haus in der Auffahrt näher rückt. Harald und Betty begleiten mich. Wie ein Pfadfinder geht Harald vor und lagert mich erstmal auf dem Sofa und setzt eine Gemüsebrühe auf. Er ist mit diesem Haus vertraut, hat er schließlich früher oft nach mir gesehen, als ich noch ein Kind war.

 

„Das sieht nicht gut aus, Lars“, bekundet er nach einer Inspizierung der Kopfverletzung. Schließlich testet er die Reaktion meiner Pupillen mit einer kleinen Taschenlampe.

   „Gut. Schwere Schäden sind auszuschließen. Du solltest dich erst einmal ausruhen und aufwärmen. Was ist denn eigentlich passiert?“

 

Mit geschlossenen Augen erzähle ich ihm, woran ich mich als Letztes erinnern kann. Das futuristische Flugobjekt und die Begegnung der „Gräfin“ mit eingeschlossen. Harald schweigt eine ganze Weile, dann lacht er kurz auf, bevor er mit einem sonderbaren Unterton, den er offensichtlich zu unterdrücken sucht, seine Vermutung äußert, das seien wahrscheinlich Träume nach meinem Sturz gewesen. Doch seine Neugier lässt sich nicht bändigen, fragt er mich doch nach näheren Einzelheiten, woran ich mich noch erinnern kann. Das Sprechen strengt mich an. Ich will am liebsten nur schlafen. Doch Harald meint, es sei gut, wenn ich noch etwas wach bliebe.

 

„Das ist ohnehin gewagt von dir, zu solch später Stunde noch im Wald unterwegs zu sein“, schließt Harald, als er mir die Suppe serviert. Sogleich fühle ich mich ein Stück weit lebendiger und die Kräfte zurückkehren.

 

„Wenn du nichts dagegen hast, würde ich heute Abend ganz gerne nochmal nach dir sehen. Wenn du etwas brauchst, meldest du dich bitte. Einverstanden?“

   Klar bin ich das. Ist wahrscheinlich besser so. Betty stupst mich zum Abschied mit ihrer Schnauze an. Langsam steuere ich auf das Badezimmer zu und lasse mir ein heißes Bad ein. Zedernduft betört meine Sinne. Nach einem ausgedehnten Schlaf fühle ich mich bereits wieder lebendiger. Nur der Schädel schmerzt noch und mir wird leicht schwindelig. Mit viel Ruhe wird das aber wieder gut. Noch immer rätsele ich etwas, wie es wohl dazu gekommen sein mag, dass ich mir den Kopf aufgeschlagen habe. Das Letzte, woran ich mich erinnern kann, ist der Gesang der Kraniche in der Ferne. Sie gelten als Glücksvögel.

 

Wer weiß, vielleicht ist ein geringeres Übel manchmal unwissend die bessere Alternative zu dem, von dem man eben ohne Kenntnis verschont bleibt. Da fällt mir ein – ich habe doch den Skizzenblock mitgenommen. Auch, wenn es vergangene Nacht zu dunkel gewesen ist, um noch zu Zeichnen. So manches Mal schon ist es beim späteren Betrachten der Zeichnungen erstaunlich, was dann erst entdeckt wird. Da gibt es diese Skizze zweier Monde am Himmel, oder aber Feuersalamander mit zwei Köpfen, oder etwa der weiße Rabe. Diese Zeichnungen muss ich jedes Mal in einer Art Trance verfasst haben, denn an den Moment selbst kann ich mich in den wenigsten Fällen bewusst erinnern. Vielleicht sollte ich auf Fotografie umwechseln. Das bietet eine wohl evidentere Grundlage. Ich blättere die Skizzen durch und gelange zu der letzten Zeichnung, an welche ich mich noch erinnern kann. Schlangenhaut, mikroskopisch nah, sodass man das Papier auf Entfernung halten muss, um aus dem Muster die Struktur der Haut zu erkennen. Ich bin einfach fasziniert von all den Details, die sich in einer scheinbaren Einfachheit der Komplexität in der Natur offenbaren.

 

Dann gelange ich zu der Seite, die meiner Auffassung zufolge eigentlich frei sein müsste und staune nicht schlecht, als ich auf eine Landschaftsskizze mit dem Wagen der „Gräfin“ stoße. Die darauffolgende Seite zeigt den vollen Mond, gefolgt von einer nebeligen Wolke. Ich blättere um. Es folgt Schwärze, den Strichen zufolge hektisch niederschraffiert. Die Linien werden immer fahriger, erhalte ich auf der gegenüberliegenden Seite doch Aufschluss darüber, dass es sich um kein Produkt eines Fantasiegebildes handelt. Eben jenes transparente Gebilde mit der inneren Struktur der Nautilusschnecke ist deutlich abgebildet, gefolgt von der Begegnung der Gräfin mit diesem Kranich Wesen. Darauf folgen wilde Zeichnungen von Flügelpaaren und Federn. Der ganze Skizzenblock ist gefüllt mit fahrigen Abbildungen der Kraniche. Zunächst aus der Ferne, dann immer näher rückend, bis nur noch die Struktur des Federkleides erkennbar ist. Dazwischen blitzt einmal das Bild des Wagens der „Gräfin“ auf, wie er immer kleiner wird am Horizont. Das ist der Beweis. Für mich jedenfalls. Denn wer sollte mir das schon glauben? Ich kann es ja selbst kaum. Harald vielleicht. Doch besser ist es wohl, wenn ich das erst einmal für mich behalte. Ohnehin brauche ich erst einmal Erholung. Ein Blick auf die Uhr verrät mir, dass es inzwischen bereits nach fünf ist an der Zeit. Es beginnt bereits zu dämmern. Sicher kommt Harald bald nochmal vorbei. Ich schalte die Nachrichten ein und bin fassungslos.

 

„Um nähere Augenzeugenberichte, die aussagekräftig zu den Ereignissen vergangener Nacht beitragen, wird gebeten, diese an unten eingeblendete Nummer mitzuteilen.“ Ich schalte aus. Das ist also wirklich passiert. „Ein helles Leuchten am Nachthimmel“ ist wohl bislang alles, was den Nachrichten bisher bekannt ist. Es klingelt an der Tür. Das ist bestimmt Harald. Meine Gedanken sammelnd schleiche ich zur Tür. Ein sonderbares Gefühl überkommt mich. Noch kurz bevor ich die Tür öffne, hält mich etwas an, doch dann drücke ich die Klinke herunter. Mein Blick wandert von oben nach unten und wieder zurück. Ich stütze mich am Türrahmen ab, den Anflug des Schwindels unterdrückend. Ich kann es kaum glauben. Vor mir steht …, „die Gräfin“. Die Gräfin im Federkleid.

 

 

 

ENDE